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Touristen sind derzeit in Mecklenburg-Vorpommern nicht willkommen.

© Stefan Sauer / dpa

Corona-Regelverstöße: Die Bereitschaft zur Denunziation ist beängstigend

Überreaktionen helfen niemandem – manches sollte man einfach mal für sich behalten. Ein Kommentar.

Man kann sogar beim Waldspaziergang Menschen treffen, die sich, kaum wird man einander gewahr, Schal oder Taschentuch vor Mund und Nase pressen. Höflich wirkt das nicht. Und auch nicht so, als würden sie nur andere vor sich selbst schützen wollen. Es handelt sich wohl um das, was man Überreaktion nennt.

Dabei sind Abstandsgebote und Kontaktverbote keine Begegnungsverbote. Einander im Freien mit drei oder mehr Metern Distanz zu passieren, dürfte auch für Risikogruppen unbedenklich sein. Ähnlich verhält es sich mit einsam Radfahrenden mit Mundschutz. Vorbildlich sieht das aus, aber auch provozierend. Eine zweckfrei getragene Maske wirkt wie ein Vorwurf gegenüber allen, die nur eine anlegen, wenn sie meinen, sie wirklich zu brauchen.

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Sind es diese überaus Vorsichtigen, die zu anderen Überreaktionen neigen? In Mecklenburg-Vorpommern mit seiner gegen touristische Einwanderung gerichteten Coronapolitik scheint die Bereitschaft besonders ausgeprägt, Regelverstöße anzuzeigen. Ausgerechnet in jenem Bundesland, dass am dünnsten besiedelt ist und die geringsten Fallzahlen aufweist.

Ruchbar geworden ist der Fall der notorisch unangepassten Wende-Literatin Monika Maron, die sich illegal nahe der polnischen Grenze aufgehalten haben soll. Sie selbst bestreitet dies.
Vielleicht ist das, was dort geschieht, nicht wert, als Denunziantentum denunziert zu werden. Landesinnenminister Lorenz Caffier sprach diplomatisch, aber deutlich von einem beängstigenden Meldeverhalten.

Ein erfrischendes Statement: Schon die alten Römer wussten, dass Recht, das man auf die Spitze treibt, zugleich höchstes Unrecht bedeuten kann. Die Super-Rechtsverordnungsausleger aus der zivilen Umgebung täten häufig besser daran, beobachtete Regelverletzungen durch Zeitablauf heilen zu lassen. Sie belasten die Behörden, statt dem Gesundheitsschutz zu dienen.

An die Ostsee sollte man dürfen - wegen des Auslaufs

Denn nicht zu übersehen ist derzeit auch eine weitere Form der Überreaktion, nämlich die des Verordnungsgebers selbst. So hatte eben jenes Mecklenburg-Vorpommern den eigenen Einwohnern untersagt, in den Ostertagen an die Ostsee und die Seenplatte zu fahren. Besser, die Rostockerin drängt sich in Rostock in der Aprilsonne, als am Warnemünder Strand Auslauf zu suchen? Das Oberverwaltungsgericht Greifswald hat die Regelung außer Vollzug gesetzt. Ihre Logik war schlicht nicht zu erklären.

Es bleibt dies ein seltenes Beispiel dafür, dass Gerichte Corona-Maßnahmen korrigieren. Sogar das Bundesverfassungsgericht ließ jetzt das fragwürdige Totalverbot von Gottesdiensten durchgehen. Offenkundig ist aber schon jetzt: Vieles war, vieles ist nicht hinreichend differenziert, nicht verhältnismäßig. Ein ausgreifendes „Meldeverhalten“ ist in solchen Zeiten allgemeiner Unsicherheit nur eines: noch beängstigender als sonst.

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