Anwaltsschreiben gelangte an Öffentlichkeit

Sex-Skandal bei der Polizei in Baden-Württemberg: Innenminister unter Druck

Das Wappen der Polizei Baden-Württemberg ist auf einem Hemd zu sehen. (Symbolbild)

Das Wappen der Polizei Baden-Württemberg ist auf einem Hemd zu sehen. (Symbolbild)

Stuttgart. Es ist ein wahrlich kurios anmutender Vorgang, der sich da rund um den Sex-Skandal eines hochrangigen Polizisten bei der Landespolizei in Baden-Württemberg auftut. Der Mann soll eine Kollegin sexuell bedrängt haben. Der Fall wird publik, die Staatsanwaltschaft ermittelt, der Mann wird vom Dienst suspendiert. Sein Anwalt schreibt an den Innenminister, macht ein Gesprächsangebot. Das Schreiben wird an die Presse durchgestochen. Die Staatsanwälte ermitteln daraufhin auch in dieser Sache - wegen des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses. Das Ministerium aber stoppt diese Ermittlungen - weil es, wie die Behörde nun einräumt, selbst das Schreiben an einen Journalisten gegeben hat. Und zwar in Abstimmung mit der Hausspitze.

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Die Landtagsopposition jedenfalls tobt. SPD und AfD beantragen in seltener Einigkeit eine Sondersitzung des Innenausschusses, um Innenminister Thomas Strobl (CDU) Druck zu machen und auf den Zahn zu fühlen. „Ganz offenbar hat Innenminister Strobl die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen gestoppt und die Öffentlichkeit ganz bewusst in die Irre geführt“, sagte der SPD-Innenpolitiker Sascha Binder am Montag. Der Vorwurf: die Weitergabe von Dienstgeheimnissen an die Presse. Binder spricht von einem ungeheuerlichen Vorgehen, das aufgeklärt gehöre.

Führender Polizist soll Kollegin belästigt haben

„Die Blockade von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und das Durchstechen eines vertraulichen Anwaltsschreibens bedürfen der restlosen Erklärung durch den Innenminister“, betonte auch der AfD-Innenpolitiker Hans-Jürgen Goßner. „Es darf nicht der Schatten eines Verdachts von Amtsmissbrauch bleiben.“ Goßner zeigte sich besorgt, dass in der Ministeriumsspitze ein Netzwerk existiere, das die schützende Hand über Verantwortliche der Affäre halte.

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Doch worum geht es eigentlich? Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit November wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung gegen einen führenden Polizisten Baden-Württembergs. Der Mann soll eine Hauptkommissarin dem Vernehmen nach mit seinen Vorstellungen sexueller Praktiken belästigt haben.

In einem Schreiben ans Ministerium wies sein Anwalt der „Stuttgarter Zeitung“ zufolge kurz vor Weihnachten den Vorwurf gravierender Dienstpflichtverletzungen zurück und legte Widerspruch gegen die Zwangsbeurlaubung seines Mandanten ein. Der betroffene Polizist stehe gerne für ein persönliches Gespräch zur Verfügung, zitierte die Zeitung aus dem Schreiben - „was vorliegender Sache eher dienlich sein dürfte und im allgemeinen Interesse zielführender zu sein versprechen vermag, als eine unvermittelte Rechtswegbeschreitung“. Das Ministerium las das Schreiben als „fragwürdiges Gesprächsangebot“.

Weil das Schreiben des Rechtsanwalts an die Öffentlichkeit gelangte, wurde die Staatsanwaltschaft auch in der Sache aktiv - wegen des Verdachts der Verletzung eines Dienstgeheimnisses. Man habe die Ermittlungen aber zwischenzeitlich wieder eingestellt, bestätigte eine Sprecherin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft am Montag.

Innenministerium weist Vorwürfe zurück

Sie begründete das mit einem „Verfahrenshindernis“: Die zur Strafverfolgung erforderliche Ermächtigung durch das dafür zuständige Ministerium sei nicht erteilt worden - so klingt das bei Juristen. Auf Deutsch: Das Ministerium selbst hat die Ermittlungen gestoppt. Denn das Innenministerium räumt nun ein, das Schreiben selbst „in Abstimmung mit der Hausspitze gegenüber einem einzelnen Journalisten“ öffentlich gemacht zu haben.

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Es habe nicht der Hauch eines Anscheins entstehen dürfen, dass das Ministerium, „wie vom Rechtsanwalt vorgeschlagen, Angebote ‚zum persönlichen Gespräch‘ außerhalb des rechtlich vorgesehenen Verfahrens beschreitet“, heißt es aus dem Ministerium. Deshalb sei man damit an die Öffentlichkeit gegangen. Man setze auf maximale Aufklärung und Transparenz und habe die Integrität des Verfahrens sicherstellen wollen.

„Das Bekanntwerden des fraglichen Schriftstücks ist mit diesem öffentlichen Transparenzinteresse vereinbar“, sagte eine Sprecherin Strobls. Das Schreiben beinhalte zudem keine Dienstgeheimnisse, die es zu schützen gelte. Das habe man auch der Staatsanwaltschaft dargelegt.

Nicht die Geheimhaltung, sondern im Gegenteil die Herstellung der Transparenz liege im absoluten öffentlichen Interesse, heißt es im Ministerium - „auch mit Blick auf die Wahrung der Integrität der Polizei“. Das Schreiben betreffe zudem alleine beamtenrechtliche Aspekte und in keiner Weise das laufende Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen den hochrangigen Polizisten. „Dieses ist davon komplett unberührt und zu diesem hat und wird sich das Innenministerium auch nicht äußern.“

RND/dpa

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