Der Hausarrest im Anti-Terror-Gesetz ist umstritten – doch wie weit geht die Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern?

Am 13. Juni stimmt die Schweiz über ein neues Anti-Terror-Gesetz ab. Vor allem die Möglichkeit, Gefährder während Monaten in die eigenen vier Wände zu verbannen, wird heftig kritisiert. Eine juristische Untersuchung zeigt: Andere Länder sind hier zurückhaltender.

Daniel Gerny
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In Grossbritannien gilt der Hausarrest nur während der Nachtstunden, doch er kann für bis zu zwei Jahre ausgesprochen werden.

In Grossbritannien gilt der Hausarrest nur während der Nachtstunden, doch er kann für bis zu zwei Jahre ausgesprochen werden.

Karin Hofer / NZZ

Die Schweiz schaffe eines der schärfsten Anti-Terror-Gesetze in ganz Europa und schränke die Grundrechte stärker ein als viele andere Länder: So lautet eines der Argumente gegen das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terror (PMT). Einer der Hauptkritikpunkte betrifft dabei den Hausarrest. Die Eingrenzung auf eine Liegenschaft ist die einschneidendste Massnahme im neuen Gesetz.

Das Gericht soll auf Antrag des Bundesamtes für Polizei (Fedpol) in Zukunft gegenüber einem terroristischen Gefährder Hausarrest anordnen können, falls konkrete und aktuelle Anhaltspunkte bestehen, dass von diesem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben ausgeht. Dies allerdings nur, wenn die Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Die Massnahme ist auf drei Monate begrenzt und kann wiederum zweimal um je drei Monate verlängert werden. Die Anforderungen sind hoch.

Deutschland ist zurückhaltend

Das PMT-Gesetz geht damit an die Grenze des Erlaubten: Ein präventiver Hausarrest ist nur mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar, wenn Lockerungsmöglichkeiten möglich sind – zum Beispiel für Arztbesuche, religiöse Anlässe oder aus Bildungszwecken. Die Gesetzesvorlage sieht solche Ausnahmen explizit vor.

Wo aber steht die Schweiz im internationalen Kontext? Wäre die Annahme des PMT ein Signal an andere Länder, die Schrauben ebenfalls anzuziehen? Ein Blick in die Polizeigesetze anderer Länder und ein Gutachten des Instituts für Rechtsvergleichung zeigen ein differenziertes Bild.

Tatsächlich kennen nicht alle Staaten einen präventiven Hausarrest. Deutschland beispielsweise, wo die polizeiliche Terrorprävention weitgehend in die Kompetenz der einzelnen Bundesländer fällt, ist zurückhaltend. So sieht das bayrische Polizeiaufgabengesetz beispielsweise vor, dass Gefährdern verboten werden kann, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder ein bestimmtes Gebiet ohne polizeiliche Erlaubnis zu verlassen. Doch die Vorschrift, die in ähnlicher Ausgestaltung auch viele andere Bundesländer kennen, bezieht sich nicht auf eine einzelne Liegenschaft, sondern auf einen Ort oder eine Gegend. Auch auf Bundesebene praktiziert Deutschland keinen Hausarrest wie im PMT vorgesehen.

Keine Altersgrenze in Frankreich

Deutschland ist nicht der einzige Staat in Europa, der bei der Terrorbekämpfung auf den Hausarrest verzichtet. Von den vom Institut für Rechtsvergleichung im Auftrag des Fedpol untersuchten sieben Ländern kennen auch Belgien und die Niederlande keine Bestimmungen über eine Eingrenzung auf eine Liegenschaft. In Frankreich existiert die Massnahme nur für Personen, die aus dem Ausland einreisen und als gefährlich gelten. Im Visier haben die Franzosen damit vor allem Jihad-Reisende, die in ihr Land zurückkehren. Die Höchstdauer beträgt inklusive Verlängerung in Frankreich nur gerade drei Monate. Doch im Unterschied zur Schweiz, wo der Hausarrest erst gegenüber Personen über 15 Jahren angeordnet werden kann, gibt es in Frankreich keine untere Altersgrenze.

In Italien ist der präventive Hausarrest in der Strafprozessordnung geregelt. Die Massnahme bezieht sich also auf Personen in einem Strafverfahren. Entsprechend ist auch die Dauer der Massnahme differenziert geregelt: Sie bemisst sich einerseits nach der Schwere der vorgeworfenen Tat und nach dem Stand des Verfahrens. Personen, die eines schweren Verbrechens beschuldigt werden, können allerdings bis zu vier Jahre in Hausarrest genommen werden. Für die Anordnung ist wie in der Schweiz das Gericht zuständig. Voraussetzungen und Verfahren ähneln damit eher einer Untersuchungshaft.

Ähnliches gilt auch in Österreich. Dort ist der Hausarrest ebenfalls in der Strafprozessordnung geregelt – und auch dort orientieren sich Verfahren und Voraussetzung an der Untersuchungshaft. Nach dem Terroranschlag von Wien im letzten Jahr, bei dem vier Personen von einem als islamistisch eingestuften Täter getötet wurden, will die Regierung allerdings ein verschärftes Anti-Terror-Paket verabschieden. Es beinhaltet eine Aufrüstung der technischen Infrastruktur, aber auch eine Ausweitung der Möglichkeiten für die Polizei. Ein gezielt auf die Terrorprävention ausgerichteter Hausarrest wie im Schweizer PMT-Gesetz ist bis jetzt jedoch nicht vorgesehen.

Bis zu zwei Jahre nur zu Hause übernachten

Am weitesten geht Grossbritannien, das einen mit der Schweiz vergleichbaren Hausarrest in den Terrorism Prevention and Investigation Measures schon vor zehn Jahren eingeführt hat. Ähnlich wie in der Schweiz sind die Voraussetzungen streng: Es muss wahrscheinlich sein, dass die betroffene Person in terroristische Aktivitäten involviert ist. Sie kann dazu verpflichtet werden, sich an einem bestimmten Wohnort aufzuhalten und während der Nachtstunden an dieser Adresse zu bleiben.

Die Massnahme kann bis zu einem Jahr andauern – und sie ist sogar um ein weiteres Jahr verlängerbar. Eine Altersbeschränkung ist nicht vorgesehen, sogar Kinder können zu einem festgelegten Übernachtungsort verpflichtet werden. Drastisch sind die Folgen auch, falls gegen die Anordnung verstossen wird: In diesem Fall droht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Das Gesetz über die PMT sieht für Verstösse gegen angeordnete Massnahmen Geldbussen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren vor.

Tatsächlich bewegt sich die Schweiz beim Hausarrest im Falle einer Annahme des PMT-Gesetzes damit im europäischen Vergleich eher am oberen Ende der Skala. Und: Nur gerade Frankreich und Grossbritannien verfügen über eigenständige Gesetze zur Terrorprävention. In vielen anderen Bereichen aber führt die Schweiz Massnahmen ein, die anderswo Standard sind. So kennen die meisten der untersuchten Länder eine Meldepflicht oder präventive Kontaktverbote. Auch Ausreiseverbote kennen alle Staaten. So umstritten die Anti-Terror-Massnahmen in der Schweiz sind – eine Tendenz zu präventivpolizeilichen Massnahmen ist in ganz Europa feststellbar.