Nach Zulassung der Anklage: Kritische Berichterstattung ist keine „Propaganda“!

Nach Zulassung der Anklage: Kritische Berichterstattung ist keine „Propaganda“!

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Polizei und Karlsruher Staatsanwaltschaft in den RDL Räumen am 17.01.2023
Landgericht lässt Anklage gegen RDL-Redakteur nicht zu
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FotO: RDL

Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hat am Montag entschieden, dass die Anklage gegen unseren Redakteur, der eine Meldung über die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens im Zusammenhang mit dem Verbot der Internetplattform Indymedia Linksunten verfasst hat, doch zugelassen wird. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) hat bereits erklärt uns weiter zu unterstützen und kündigt an, notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen.

In der Verlinkung auf die Archivseite von linksunten.indymedia sieht das OLG die Unterstützung einer verbotenen Organisation. Das Landgericht Karlsruhe hatte zunächst in einem ausführlich begründeten Beschluss entschieden, die Anklage nicht zuzulassen. Dagegen hatte die Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt, die das Oberlandesgericht nun annahm und damit das Hauptverfahren eröffnete. „Das Landgericht hatte sich auf 40 Seiten akribisch mit der Aktenlage auseinandergesetzt, recherchiert, abgewogen und die Rechtsprechung vom BGH und dem Bundesverfassungsgericht einfließen lassen. Das Oberlandesgericht zitierte seitenweise einfach nur Wikipedia“, kritisierte die Strafverteidigerin Angela Furmaniak die Qualität der OLG Entscheidung.

Es sei überwiegend wahrscheinlich, so das Gericht, dass die verbotene Vereinigung linksunten.indymedia fortbestehe und die Archivseite betreibe. Der Artikel samt Link auf die Archivseite sei „Propaganda“ und damit nicht von der Pressefreiheit gedeckt, sondern eine strafbare Unterstützung der Vereinigung. Begründet wird dies unter anderem damit, dass in dem Artikel von einem „konstruierten Verbot“ und einer „rechtswidrigen Durchsuchung“ im Zusammenhang mit dem Verbot von linksunten.indymedia die Rede ist.

„Wenn Medien mit Strafverfahren rechnen müssen, nur weil sie kritisch über staatliche Vereinsverbote berichten, dann bleibt von der Pressefreiheit nicht mehr viel übrig“, erklärt David Werdermann, Jurist und Verfahrenskoordinator der GFF. „Die Verlinkung der Archivseite ist keine Propaganda, sondern gehört zu den Aufgaben der digitalen Presse. Nur so können Leser*innen sich selbst informieren und eine Meinung bilden.“

Die GFF wird den angeklagten Journalisten in dem nun anstehenden Hauptverfahren vor dem Landgericht Karlsruhe weiter unterstützen. Auch gegen die Durchsuchungen und Beschlagnahmen gehen wir und unsere Anwält:innen mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte weiter vor. Das Amtsgericht Karlsruhe hatte Anfang des Jahres die Durchsuchung von Redaktions- und Privaträumen angeordnet. Die hiergegen eingelegten Beschwerden sind noch beim Landgericht Karlsruhe anhängig. Für den Fall, dass die Beschwerden keinen Erfolg haben oder es gar im Strafverfahren zu einer Verurteilung kommt, werden wir mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht erheben.

„Erst die Hausdurchsuchungen, jetzt die Eröffnung des Hauptverfahrens: Die baden-württembergische Justiz braucht offenbar Nachhilfe in Sachen Pressefreiheit“, so Fabian Kienert, der angeklagte RDL-Redakteur. „Die Kriminalisierung belastet nicht nur mich, sondern verunsichert Journalist:innen in der ganzen Republik. Es muss möglich sein, kritisch über Vereinsverbote zu berichten, ohne sich direkt dem Vorwurf auszusetzen, eine verbotene Vereinigung zu unterstützen.“

„Unsere journalistische Arbeit leidet unter dem Angriff der Staatsanwaltschaft. Wir müssen uns seit Januar dauernd mit fadenscheinigen Beschlüssen von Staatsanwälten und Gerichten auseinandersetzen, dabei haben wir als selbstorganisiertes Projekt schon so genug zu tun. Die Kriminalisierung unseres lizensierten freien Radiosenders ist nicht nur politisch unhaltbar sondern auch eine emotionale Bürde.“ erklärt die Betriebsgruppe von Radio Dreyeckland.

Radio Dreyeckland, 14.06.2023