11.07.2024


Wo ist sie hin, die gute alte Konfliktverteidigung?

Zunächst einmal: Wo kommt sie überhaupt her? Insoweit gelangt Christian Rath in seinem LTO-Beitrag, der fast in die Sparte Feuilleton fallen könnte, zu folgendem Ergebnis: „Wir wissen zwar nicht verbindlich, was „Konfliktverteidigung“ sein soll. Wir dürfen aber stark vermuten, dass es sie schon ziemlich lange gibt.“

https://www.lto.de/persistent/a_id/54485/

Und wir möchten ergänzen. Sie scheint schon seit geraumer Zeit ein Auslaufmodell zu sein. Stammheim war gestern. An die Stelle einer für den Angeklagten regelrecht alles gebenden und fordernden Konfliktverteidigung ist ein konsensuales Modell getreten, das sich für alle professionellen Akteurinnen und Akteure, also auch die Strafverteidigung, als unschlagbar vorteilhaft erwiesen hat. Und in aller Regel auch für die Angeklagten, sofern sie was hermachen. Es ist effizient und daher wirtschaftlich lukrativ. Zudem löst man streitige Fragen lieber einvernehmlich als streitig. Es gibt also nur Gewinner? Nun ja, nicht ganz, die materielle Wahrheit und eine ganze Armada von rechtsstaatlichen Grundsätzen könnten auf der Strecke bleiben.

Vor diesem Hintergrund waren wir fast begeistert, als sich Alfred Dierlamm, einer der Strafverteidiger von Markus Braun im Wirecard-Prozess, anschickte, das Verfahren zu einem von ihm so bezeichneten Scherbenhaufen werden zu lassen, der bei allem stets zu unterstellenden guten Willen einen Deal nicht mehr für wahrscheinlich erscheinen ließ.

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Wollte er also eine Lanze für die Konfliktverteidigung brechen, gegen die nichts zu sagen ist, wenn sie sich auf dem Boden der StPO und der Verfassung bewegt?

https://www.lto.de/persistent/a_id/49787/

War er im Kampf für das Recht wirklich bereit, notfalls seine eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen?

Jedenfalls nicht seine sicherlich auf tönernen Füßen stehende wirtschaftliche Existenz. Und so war von einem Tag auf den anderen plötzlich Schluss mit seiner Verteidigung von Markus Braun. Dessen Manager-Haftpflichtversicherung sei leider nicht mehr bereit gewesen, für seinen überaus erheblichen Tätigkeitsaufwand in der Hauptverhandlung aufzukommen.

https://strafrecht-online.org/zeit-dierlamm

Und nun? Müssen wir uns Sorgen machen? Um wen gleich noch mal? Markus Braun jedenfalls bleibt bockig und hat weiterhin kein Interesse an einem vornehm so bezeichneten „Rechtsgespräch“. Und Alfred Dierlamm bleibt auf der Sonnenseite der Strafverteidigung, indem er sich den in jedem Falle überaus potenten Tennisspieler Alexander Zverev an Land gezogen hat. Wobei die Freude gegenseitig gewesen sein wird. Mal wieder also eine Win-Win-Situation, die immer latent die Frage nach dem Haken aufkommen lässt.

Wenn wir es recht verstanden haben, gelang es Alfred Dierlamm mit tatkräftiger Unterstützung seiner Frau Katharina, im Strafverfahren gegen Zverev ein paar Dinge klarzustellen.

Gegen diesen war ein Strafbefehl wegen Körperverletzung seiner ehemaligen Freundin in Höhe von 450.000 Euro (90 Tagessätze zu je 5.000 Euro) verhängt worden. Zverev wiederum hatte Einspruch eingelegt.

In einer für Dierlamm wie für diese Art von Strafverfahren typischen Manier präsentierte der Staranwalt sein beeindruckendes Waffenarsenal. Die Rede war von frei erfundenen Anschuldigungen, die Anzeige stehe im engen Zusammenhang mit einem Streit um Sorgerecht und Unterhalt für die gemeinsame Tochter, Verletzungen seien nicht sichtbar gewesen. Es bedürfe weiterer Gutachten zur Glaubwürdigkeit der Zeugin und den angeblichen Verletzungen.

https://strafrecht-online.org/ndr-zverev

Dieses Mal jedoch beließ es Dierlamm beim Blecken der Zähne und zeigte sich gnädig mit einer Einstellung gegen eine Auflage zufrieden, die einen Bruchteil der Finalniederlage von Paris seines Mandanten ausmachte und mit Sicherheit hinreichendes Spiel für ein angemessenes Salär für das junge Ehepaar Dierlamm eröffnete. Außerdem ging alles schön schnell, so dass Dierlamm die Möglichkeit geebnet wurde, schnell den nächsten Deal abzuschließen, der schon irgendwo auf ihn warten wird.

Ausschlaggebend für die Entscheidung sei insbesondere der Wunsch der Nebenklägerin gewesen, dieses Verfahren nicht weiterführen zu wollen, so die Vorsitzende Richterin in der mündlichen Urteilsverkündung. Beiden sei es um die Interessen des gemeinsamen Kindes gegangen.

https://www.lto.de/persistent/a_id/54720/

Voller Rührung verdrücken wir heimlich ein paar Tränen. Zum Teufel mit der Konfliktverteidigung!


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