Der Artikel
Ich lade mir gern Gäste ein
So bezeichnete RH jüngst auf einer kriminologischen Tagung eine didaktische Komponente seiner Lehrveranstaltungen, die von den Studierenden wegen anderer Perspektiven als belebend empfunden wird. Wahrhaft keine bahnbrechende Erkenntnis, aber man muss vielleicht nicht immer das Rad neu erfinden.
Erst am Dienstag wieder war Richter am AG Graf in der jugendstrafrechtlichen Vorlesung zu Besuch, der eine Verhandlung Revue passieren ließ, die die Studierenden mitverfolgt hatten. Und en passant wurden in beeindruckender Weise grundlegende Werte eines menschenwürdegerechten Jugendstrafrechts vermittelt.
Vom Holzmarkt ins KG I sind es ebenso nur ein paar Schritte wie für RA Moos vom Hegarhaus oder für Staatsanwältin Haberstroh von der Heinrich-von-Stephan-Str. Und ab und zu geht es dann zusammen im Anschluss in den Geier, „das Wohnzimmer von Hausbesetzern und Linken, von Intellektuellen und Trinkern oder trinkenden Intellektuellen“, wie man auf der Website liest. Das sind die kleinen Brötchen, die RH schmecken.
Das Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht lächelt über diese banalen Happen nur mitleidig. Natürlich laden auch sie sich Gäste ein, aber sie sind von ganz anderem Kaliber und kommen mit Business Class von Übersee. Und nur ganz selten wird das niedere Volk zu Vorträgen eingeladen, nach Voranmeldung natürlich, damit überprüft werden kann, um wen es sich da handelt. In aller Regel bleibt man lieber unter sich. Denn am MPI ist die Exzellenz zu Hause, um die die Universität Freiburg zum wiederholten Male aufopferungsvoll kämpft und die im Institut für Kriminologie nie Einzug halten wird.
Ab und zu erfährt man zumindest davon, dass eine geschlossene Veranstaltung am MPI stattgefunden habe, damit sich das einfache Volk so richtig ärgern kann, nicht dabei gewesen zu sein.
Im Falle einer Konferenz über Konzepte von Datensicherheit und Privatheit verzichtete man wiederum großzügig darauf, etwas über einen durchaus prominenten Gast, nämlich Neil McGill Gorsuch, verlautbaren zu lassen.
Dieser war 2017 vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump zum Richter am Supreme Court der Vereinigten Staaten nominiert und im Anschluss auch ernannt worden. Nachdem er kurzzeitig seinen Mentor enttäuscht hatte, indem er doch tatsächlich den Civil Rights Acts die Kraft zumaß, auch die dort noch nicht genannten LGBTQ-Personen vor Diskriminierung zu schützen, war er dann aber spätestens 2022 ganz auf Linie.
Zusammen mit vier anderen von republikanischen Präsidenten nominierten Richtern hob Gorsuch das in der Grundsatzentscheidung Roe v. Wade von 1973 verankerte Recht auf Schwangerschaftsabbruch auf. Die Sichtweise von Roe sei von Beginn an völlig verfehlt („egregiously wrong from the start“) und die Argumentation im Urteil „außergewöhnlich schwach“ gewesen (Dobbs v. Jackson Women’s Health Organization).
Weitere Entscheidungen haben ihm den zweifelhaften Titel eines der libertärsten Richter des Supreme Courts sei langer Zeit eingebracht.
https://strafrecht-online.org/taz-gorsuch
Ganz so hermetisch abgeschottet, wie sich das MPI seit seiner Neuausrichtung gerne gibt, funktionierte es dann leider doch nicht. Und so wurden Gast wie Gastgeber von einer Gruppe von Demonstrierenden unzufrieden empfangen. Und die Polizei war mit beachtlicher Stärke gleichfalls vor Ort, ein Strafverfahren wegen des Nicht-Anmeldens der Demonstration sei eingeleitet worden, wie ein Pressesprecher des Polizeipräsidiums Freiburg verlautbaren ließ.
https://strafrecht-online.org/rdl-gorsuch
Das ist doch mal ein würdiger Abschluss! Ein Strafverfahren zum Schutz eines Verfechters der Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Während die Demonstrierenden in plausibler Weise die elementare Grundrechte der Frau negierende Haltung von Gorsuch hervorhoben, ist RH ein wenig vorsichtiger und verweist darauf, dass man in der Wissenschaft gar vieles vertreten kann, wie abwegig es auch sein mag.
Nur: Geht es überhaupt noch um Wissenschaft oder ist es nicht doch lediglich Politik eines ganz und gar dergestalt ausgerichteten Supreme Courts? Und wenn es sich um Politik handeln würde: Sollte sich das Gemeinwesen, die Polis, hiermit nicht auseinandersetzen dürfen, selbst wenn die Konferenz von Data Protection and Privacy handeln sollte? Übrigens: Die Frage eines Schwangerschaftsabbruchs ist eine höchstpersönliche Frage, die den Staat nichts anzugehen hat.
https://csl.mpg.de/events/38517/2850
RH backt gerne weiterhin seine kleinen Brötchen.
Fragen und Anmerkungen: