07.06.2023


Nicht die hellste Kerze auf der Torte?

Mit Detlef Esslinger sind wir uns nicht ganz so sicher, ob eine solche Einschätzung Boris Palmer wirklich gerecht würde. Der Politiker hatte darauf hingewiesen, man habe ihm einen Judenstern angeheftet, um im Anschluss „natürlich“ gleich mehrfach von den Negern zu sprechen.

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Kamen diese nicht auch in Wolfgang Koeppens „Tauben im Gras“ vor, einem Roman, der es gut 70 Jahre nach dessen Erscheinen leider allein aufgrund dieses Umstandes in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geschafft hat? Eine Lehrerin hatte es unter vielfachem Zuspruch nicht ertragen, dass ein Buch Abitur-Pflichtlektüre in Baden-Württemberg werden solle, das den Rassismus an ihren Arbeitsplatz bringe und ein brutaler Angriff auf ihre Menschenwürde sei.

„Welche Gesellschaft soll das abbilden?“, fragte sich Boris Palmer in einem Facebook-Post 2019, als die Deutsche Bahn in einer Kampagne unter anderem mit dem schwarzen TV-Koch Nelson Müller, der türkischstämmigen Moderatorin Nazan Eckes und dem ehemaligen deutsch-finnischen Formel-1-Rennfahrer Nico Rosberg warb.

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Diese Frage war gar nicht mal so dumm, hätte er sich aber auch ohne größere Probleme selbst beantworten können: Eine plurale und vielfältige Gesellschaft, jedenfalls und leider nach wie vor nur als Programm. Und genau hierin liegt der Unterschied zum Roman von Wolfgang Koeppen. Hilmar Klute beschreibt dies in der Süddeutschen Zeitung treffend wie folgt: Seine Erzählinstanz sei entgegen der Kritik keine solche mit regulativer Funktion, sondern Teil der Realität. Seine Sprache sei die Sprache, die in jenen Jahren nach Koeppens Beobachtung von einer bestimmten Gruppe gesprochen wird. Sie ist, selbst wenn sie nicht wörtliche Rede wiedergibt, Zitat. Zitiert wird das zur Gossensprache geronnene diskriminierende Denken, das beispielsweise zu Krieg und Holocaust geführt hat.

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Es ist eine geradezu abwegige Sichtweise, Wolfgang Koeppen den Vorwurf zu machen, er habe für seine Erzählinstanz keine antirassistische Sprache gefunden und damit den Rassismus befördert.

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Sie erinnert ein wenig an Pippi Langstrumpf und ihre Welt, die sie sich so macht, widdewidde wie es ihr gefällt. Diese Assoziation vielleicht auch deshalb, weil Pippi Langstrumpf ja einen Negerprinzen als Vater hat.

https://strafrecht-online.org/dlf-langstrumpf

Warum sollte Wolfgang Koeppen die Aufgabe haben, seine Eindrücke negerfrei zu schildern? Wären wir bei einer solchen Logik dann nicht auch gehalten, Boris Palmer so zu interpretieren, er setze sich gegen eine verkürzte Kritik zur Wehr und wünsche einen angemessenen Raum für Diskussionen?

Das hätte er durchaus so formulieren können, wollte er aber nicht. Schon 2016 waren wir in unserem Beitrag < Flieg nicht zu hoch, mein kleiner Freund > davon überzeugt, Palmer („Die Nazis, die Flüchtlinge und ich“) müsse noch einmal so richtig am Rad drehen, wenn er weiterhin im Gespräch bleiben wolle.

https://strafrecht-online.org/nl-2016-11-25 [III.]

Er hat es gemacht, nun ist er wie Ikarus abgestürzt.


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