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Unmittelbares Ansetzen bei mittelbarer Täterschaft

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### Tags Mittelbare Täterschaft; Unmittelbares Ansetzen; Gesamtlösung; Einzellösung; modifizierte Einzellösung; weite modifizierte Einzellösung; enge modifizierte Einzellösung; Täter; Werkzeug; Zwischenakt ### Problemaufriss Gem. [§ 22](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__22.html) versucht eine Straftat, wer zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt. Die Abgrenzung von strafloser Vorbereitung und strafbarem Versuch gestaltet sich bereits bei einem Einzeltäter schwierig (siehe [das entsprechende Problemfeld](/problemfelder/at/versuch/unmittelb-ansetzen/vorber-versuch/)). Bei der mittelbaren Täterschaft ist fraglich, ob für das unmittelbare Ansetzen auf den Täter oder das Werkzeug abgestellt werden muss. **Beispiel:** T überzeugt den 11-jährigen M, die Vase des V zu stehlen. Nachdem er mit M gesprochen hat, schickt er ihn zu V. M steigt durch das Fenster im Erdgeschoss und greift nach der Vase. In welchem Moment hat T unmittelbar zur Tat angesetzt? ### Problembehandlung Zu unterscheiden sind zwei Meinungsgruppen: Die <em>Gesamtlösung</em>, welche auf das Werkzeug abstellt, und die <em>Einzellösung</em>, die auf das Verhalten des Hintermanns abstellt. Im Rahmen der Einzellösung ist weiter zwischen der weiten und der modifizierten Einzellösung zu unterscheiden. **Ansicht 1:** Nach der **Gesamtlösung** werden Täter und Werkzeug zu einer Einheit verbunden, sodass folgerichtig der Versuch erst dann beginne, wenn das Werkzeug die Schwelle zum "Jetzt geht's los" i.S.d. [§ 22](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__22.html) überschreite (<em>Kühl</em> JuS 1983, 180 ff.; *Krey/Esser* Strafrecht AT, 6. Aufl. 2016, Rn. 1238 ff.). **Kritik:** Gegen diese Ansicht spricht, dass der Hintermann die Herrschaft über sein Werkzeug hat. Hat der mittelbare Täter schon alles zur Tatbestandsverwirklichung getan, so scheint es sachwidrig, den Versuchsbeginn von der Zufälligkeit abhängig zu machen. Gegen die Gesamtlösung spricht weiter, dass der Anstiftungsversuch gem. [§ 30 I](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__30.html) strafbar ist, aber das gefährlichere Losschicken des Tatmittlers nicht mit Strafe bedroht wäre. (<em>Rengier</em> Strafrecht AT, 8. Aufl. 2016, § 36 Rn. 6). **Ansicht 2:** Nach der **strengen Einzellösung** (<em>Baumann/Weber/Mitsch</em> Strafrecht AT, 11. Aufl. 2003, § 29 Rn. 155; *Herzberg* MDR 1973, 89, 94 f.) beginne der Versuch einer mittelbaren Täterschaft bereits in dem Moment, in dem der Hintermann zur Einwirkung auf den Tatmittler unmittelbar ansetze. **Kritik:** Die strenge Einzellösung führt zu einer zu weiten Ausdehnung des Versuchsstadiums. Entgegen den allgemeinen Regeln der Versuchslehre (siehe [das entsprechende Problemfeld](/problemfelder/at/versuch/unmittelb-ansetzen/vorber-versuch/)), beginnt das Versuchsstadium bereits in einem Moment, in dem das Tatobjekt nicht konkret gefährdet erscheint und noch wesentliche Zwischenakte zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich sind (<em>Roxin</em> Strafrecht AT II, 2003, § 29 Rn. 257). **Ansicht 3:** Die sog. **modifizierte Einzellösung** versucht, einen Mittelweg zwischen beiden Ansichten zu beschreiten. Die Details sind, auch innerhalb dieser Meinungsgruppe, recht umstritten: **Ansicht 3a:** Die weite modifizierte Einzellösung (<em>Rengier</em> Strafrecht AT, 13. Aufl. 2021, § 36 Rn. 10 ff.; Systematischer Kommentar StGB/<em>Jäger</em>, 9. Aufl. 2017, § 22 Rn. 39; BGH NStZ 1986, 547) sieht das unmittelbare Ansetzen in dem Moment als vollzogen, in dem der Täter das Werkzeug entlasse und damit <strong>die Tat aus der Hand gebe</strong>. **Kritik:** Die Strafbarkeit kann auch hier zu weit vorverlagert werden. **Ansicht 3b:** Die enge modifizierte Einzellösung verlangt zusätzlich, dass der Tatmittler, nachdem er aus dem Herrschaftsbereich des Täters entlassen wurde, die tatbestandsmäßige Handlung in **engem zeitlichen Zusammenhang** ausführen solle. Das geschützte Rechtsgut solle daher unmittelbar gefährdet sein. Diese Ansicht will sich näher am Wortlaut des [§ 22](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__22.html) orientieren (BGHSt 30, 363, 365 f.; BGHSt 40, 257, 269; *Wessels/Beulke/Satzger* Strafrecht AT, 51. Aufl. 2021, Rn. 975; Schönke/Schröder/<em>Eser/Bosch</em> StGB, 30. Aufl. 2019, § 22 Rn. 54a; *Fischer* StGB, 69. Aufl. 2022, § 22 Rn. 27). **Kritik:** Gegen die enge modifizierte Einzellösung spricht, dass sie sich nur scheinbar auf der Grundlage des [§ 22](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__22.html) bewegt, denn meist liegen noch relevante Zwischenakte (Hingehen, Identifizieren etc.) zwischen dem Losschicken und der Tatausführung (<em>Roxin</em> Strafrecht AT II, 2003, § 29 Rn. 260 ff.). Von Seiten der weiten modifizierten Einzellösung wird zudem eingewendet, dass es bei der Versuchsstrafbarkeit stets auf die Willensbetätigung des Täters ankommt. Dies gilt auch bei der mittelbaren Täterschaft. Daher wäre es unsystematisch, beim unmittelbaren Ansetzen auf die Handlung des Werkzeugs abzustellen (Systematischer Kommentar StGB/<em>Jäger</em>, § 22 Rn. 39). <br>

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