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Auf-/ Hochstiftung







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Aufstiftung; Hochstiftung; Anstiftung; Umstiftung


Problemaufriss


Konstellation: Der Täter ist bereits zur Begehung einer Straftat entschlossen. Der Anstifter wirkt auf dessen Entschluss aber dahingehend ein, dass der Täter eine schwerere Tat begeht.


Beispiel: D ist entschlossen, einen Diebstahl zu begehen; er möchte in den Geschäftsräumen des G Flachbildschirme entwenden. Seine Frau F ist besorgt um ihren Ehemann und bittet ihn, zur Sicherheit eine Waffe mitzunehmen. Sie habe in der Zeitung gelesen, dass einem Dieb, der auf frischer Tat ertappt wurde, die Flucht mittels Waffendrohung gelungen sei. D wird unsicher und geht auf den Vorschlag seiner Frau ein.


Hier stellt sich das folgende Rechtsproblem: D war bereits zu einem Diebstahl gem. §§ 242 I, 243 I 2 Nr. 1 entschlossen, diesbezüglich ist er omnimodo facturus, ein zur Tat fest entschlossener Täter. Wie ist nun aber die potenzielle Anstiftung der F bezüglich der Verwirklichung des § 244 I a) Nr. 1 Var. 1 zu behandeln? Der Qualifikationstatbestand des § 244 baut auf § 242 auf. Es ist also zu bedenken, dass eine Anstiftung zu § 244 normalerweise eine Anstiftung zu § 242 beinhalten würde.


Beachte: Das Problem der Aufstiftung stellt sich nur bei einer Aufstiftung zu Qualifikationstatbeständen. Soweit eine Anstiftung zu einem selbstständigen Tatbestand (wie etwa von § 242 zu § 249) im Raum steht, wird das Problem der Aufstiftung nicht diskutiert.


Problembehandlung


Zu dem Rechtsproblem der Aufstiftung haben sich folgende Theorien herausgebildet:


Ansicht 1: Nach der Qualifikationstheorie (vgl. Otto Strafrecht AT, 7. Aufl. 2004, § 22 Rn. 38; Lackner/Kühl*/Kühl,*29. Aufl. 2018, § 26 Rn. 2a) liege in der Aufstiftung eine Anstiftung zur gesamten Tat, da jene in ihrem Unrechtsgehalt nicht teilbar sei. Diese neue Tat bilde ein selbstständiges, neues Unrecht und nicht lediglich ein Mehr an Unrecht. Der Täter sei also kein omnimodo facturus in Bezug auf den neuen, wesentlich erhöhten Unrechtsgehalt gewesen. Der wesentlich erhöhte Unrechtsgehalt werde durch die Schaffung eines eigenständigen Qualifikationstatbestandes ausgewiesen.


Kritik: Problematisch ist, dass dem Anstifter ein Erfolgsunrecht – Anstiftung zum Grundtatbestand – angelastet wird, das er nicht verursacht hat (vgl. Wessels/Beulke/SatzgerStrafrecht AT, 50. Aufl. 2020, Rn. 885). Es erscheint in dem Zusammenhang fraglich, ob allein der Qualifikationstatbestand ein derart erhöhtes wesensverschiedenes Unrecht in sich trägt, dass eine Bewertung als selbstständiges neues Unrecht  tragfähig erscheint.


Ansicht 2: Die Aliud-Theorie (vgl. Wessels/Beulke/SatzgerStrafrecht AT, 50. Aufl. 2020, Rn. 885) geht davon aus, dass lediglich zu einem aliud und nicht zu einem Mehr angestiftet werden kann. Soweit der Täter bereits zu einem Teil einer Straftat entschlossen war, ist er insoweit omnimodo facturus. Der Begriff des Steigerns entspreche nicht dem des Hervorrufens i.S.d. § 26. Soweit es sich lediglich um ein Mehr handelt, ist an die Möglichkeit der psychischen Beihilfe, § 27, zu denken. Unproblematisch ist eine Aburteilung des "Mehr" lediglich dann möglich, wenn diese Aufstiftung einem selbstständigen Tatbestand anspricht (vgl. Schönke/Schröder*/ Heine/Weißer,*  30. Aufl. 2019, § 26 Rn. 9). Wer einen zum Diebstahl bereits Entschlossenen dazu anstiftet, dieses in der Nacht zu tun und sich Zutritt zu dem dann geschlossenen Anwesen mittels des Einschlagens eines Fenster zu verschaffen, kann wegen der darin enthaltenen Anstiftung zu § 303 bestraft werden. In den sonstigen Fällen ist normativ zu ermitteln, inwieweit der Qualifikationstatbestand ein aliud, also ein wesentlich erhöhtes Unrecht, enthält.


Kritik: Diese Theorie stellt mit der Forderung der selbstständigen Ermittlung des aliud-Gehalts eines Qualifikationstatbestandes hohe Anforderungen an den Rechtsanwender, ohne einheitliche Abgrenzungskriterien bereit zu stellen (Problem der Rechtsunsicherheit).


Ansicht 3: Nach der Unwertsteigerungstheorie (vgl. BGHSt 19, 339, Leipziger Kommentar StGB*/Schünemann/Greco,*13. Aufl. 2021, § 26 Rn. 34f.) ist entscheidend, ob der Unrechtsgehalt des Tatbildes durch die Aufstiftung erheblich erhöht wird. Dies bemisst sich nach normativen Kriterien. Weil die Täter zu dieser Ausführungsart von sich aus noch nicht bereit waren, der Angeklagte sie dazu erst verleitet hat, liegt nicht nur psychische Beihilfe, sondern Anstiftung vor. Der Senat ist der Auffassung, dass es für diese Beurteilung nicht entscheidend darauf ankommt, ob die Täter zur Verwirklichung eines anderen mit schwererer Strafdrohung bewehrten Tatbestandes veranlasst werden, sondern auf den erheblich erhöhten Unrechtsgehalt, der auch in der gefährlichen Ausführungsart liegen kann, ohne dass sich an der rechtlichen Beurteilung der Tat etwas ändert (BGHSt 19, 339).


Kritik: Es bestehen keine einheitlichen Abgrenzungskriterien, was zu Rechtsunsicherheit führt.


Ansicht 4: Die Wesentlichkeitstheorie (vgl. Cramer JZ 1965, 32) fragt danach, ob sich das Tatbild durch die Aufstiftung wesentlich wandelt. Hierbei werden die Kriterien übernommen, die zur Fragestellung entwickelt wurden, ob eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf vorliegt.


Kritik: Auch diese Theorie sieht sich der Kritik ausgesetzt, dass vernünftige und transparente Abgrenzungsmaßstäbe nicht vorhanden sind, was ebenfalls zu Rechtsunsicherheit führt.






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Die Seite wurde zuletzt am 17.4.2023 um 9.49 Uhr bearbeitet.



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