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Beteiligung durch Unterlassen







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Beihilfe; Unterlassen; unechtes Unterlassungsdelikt; Täterschaft; Teilnahme; Beteiligung; Beteiligung durch Unterlassung


Problemaufriss


Problematisch ist die Strafbarkeit eines handlungspflichtigen Garanten, der gegen die aktive Begehung einer Straftat durch eine andere Person nicht einschreitet. Es fragt sich, welche Voraussetzungen in solchen Fällen an eine Unterlassungstäterschaft zu stellen sind und wie eine Abgrenzung zwischen Täterschaft und Beihilfe durch Unterlassen erfolgt.


Beispiel:   Geschäftsherr G stimmt betrügerischen Vertriebsmethoden eines in seinem Unternehmen tätigen Provisionsvertreters P wegen des Gewinns innerlich zu (Rengier Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 51 Rn. 17).


Problembehandlung


Zunächst muss in solchen Fällen geprüft werden, ob die speziellen Voraussetzungen für eine Unterlassungstäterschaft vorliegen:


Eine Unterlassungstäterschaft kommt ohnehin nur in Betracht, wenn diese Voraussetzungen gegeben sind. Liegen sie nicht vor, kommt von vornherein nur eine Beihilfe durch Unterlassen in Betracht. Freilich ist insbesondere eine Garantenstellung konstitutiv für eine Strafbarkeit wegen eines unechten Unterlassungsdeliktes; auch für eine Teilnahme muss eine solche stets vorliegen. Wurden die Voraussetzungen hingegen bejaht, so ist eine Abgrenzung zwischen Täterschaft und Beihilfe durch Unterlassen vorzunehmen. Hierzu existieren verschiedene Ansätze.


Ansicht 1:  Nach einer Ansicht könne der untätig bleibende Garant neben dem aktiven Begehungstäter stets nur Gehilfe sein. Auf dem Boden der Tatherrschaftslehre wird argumentiert, dass der Unterlassende neben einem aktiv handelnden Täter das Geschehen nicht in der Hand halten, also keine Tatherrschaft haben könne (Kühl Strafrecht AT, 8. Aufl. 2017, § 20 Rn. 230).


Kritik:  Diese Ansicht widerspricht der Wertung des § 13, der die täterschaftliche Unterlassung gerade nicht von einer aktiven Beherrschung des Geschehens abhängig macht (Rengier AT, § 51 Rn. 17). Zudem mag der Unterlassende zwar nur Randfigur des Begehungsdeliktes (Verbotstatbestand) sein, hinsichtlich des davon zu trennenden Gebotstatbestandes des Garanten selbst ist er aber Zentralfigur.


Ansicht 2:  Die sog. Pflichtdeliktslehre geht davon aus, dass unechte Unterlassungsdelikte "Pflichtdelikte" seien und sieht daher das maßgebliche Kriterium in der Verletzung der tatbestandsbegründenden Erfolgsabwendungspflicht (Roxin Strafrecht AT II, 2003, § 31 Rn. 140 ff.; Nomos Kommentar StGB/Gaede, 5. Aufl. 2017, § 13 Rn. 26). Demnach mache die Verletzung der Garantenpflicht den Unterlassenden stetszum Täter, sofern die sonstigen Voraussetzungen (s.o.) erfüllt sind.


Kritik:  Diese Meinung beseitigt den im Gesetz angelegten Unterschied zwischen Täterschaft und Teilnahme weitgehend im Bereich der Unterlassungsdelikte (Rengier AT, § 51 Rn. 17).


Ansicht 3:  Eine dritte Ansicht differenziert für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme danach, ob es sich bei dem Handlungspflichtigen um einen Beschützer- oder um einen Überwachergaranten handelt. Grundsätzlich sei der Beschützergarant stets Täter, der Überwachungsgarant stets nur Gehilfe (Krey/EsserStrafrecht AT, 6. Aufl. 2016, Rn. 1181 ff.; Seier JA 1990, 383 f.).


Kritik:  Schwierig ist hierbei, dass sich die beiden Garantentypen teilweise nur schwer voneinander abgrenzen lassen und das Gesetz nicht nach einzelnen Funktionen der Garantentypen differenziert (Schönke/Schröder/Heine/Weißer StGB, 29. Aufl. 2014, Vor. §§ 25 ff. Rn. 102; Rengier AT, § 51 Rn. 17).


Ansicht 4:  Die Rechtsprechung stellt – wie stets für die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme (siehe das Problemfeld hier) – auf die subjektive Einstellung des Täters, also insbesondere darauf ab, ob der Unterlassende ein eigenes Tatinteresse hat oder sich dem Willen des Begehungstäters unterordnet (BGH NStZ 1992, 31; 2009, 321, 322). Dieser Wille wird anhand objektiver Kriterien bestimmt.


Kritik:  Sind Täter- und Teilnehmerwillen bereits bei den Begehungsdelikten kaum nachweisbar, so kann im Unterlassensbereich sogar noch weniger an äußere Indizien angeknüpft werden.


Ansicht 5:  Die h.M. greift bei der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Beihilfe durch Unterlassen auf die allgemeinen Abgrenzungskriterien zurück und bedient sich auch insoweit der – gewissermaßen modifizierten – Tatherrschaftslehre. Eine Abgrenzung erfolge demgemäß danach, ob der Unterlassende das Geschehen als Zentralfigur "mitbeherrscht" oder ob er es eher als Randfigur ablaufen lässt. Freilich könne im Unterlassensbereich nicht von einer tatsächlichen Beherrschung des Geschehensablaufs gesprochen werden; vielmehr komme es auf eine „potenzielle Tatherrschaft“ in dem Sinne an, dass der Garant das Geschehen bei Erfüllung seiner Garantenpflicht hätte beherrschen können. Kriterien, die zur Ermittlung eben dieser potenziellen Tatherrschaft herangezogen werden, sind der Grad der tatsächlichen Beherrschung des Geschehensverlaufs, die Nähe zum Schutzobjekt und zur Gefahrenquelle („Macht“ über den aktiv Ausführenden) sowie die Mitwirkung bei der Tatplanung (Schönke/Schröder/Heine/Weißer StGB, 29. Aufl. 2014, Vor. §§ 25 ff. Rn. 102; Heinrich Strafrecht AT, 4. Aufl. 2014, Rn. 1214; Studienkommentar StGB/Joecks/Jäger, 12. Aufl. 2018, § 13 Rn. 82 ff.).















Die Seite wurde zuletzt am 17.4.2023 um 9.51 Uhr bearbeitet.



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