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Konkurrenzverhältnis zu § 240







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Konkurrenzen; § 113; § 240; lex specialis; Spezialitätsverhältnis; Anwendbarkeit; Sperrwirkung;


Problemaufriss


Das Tatbestandsmerkmal "Drohung mit Gewalt" erfasst alle Konstellationen, in denen der Täter Gewaltmaßnahmen für den Fall ankündigt, dass die Dienst- oder Vollstreckungshandlung durchgeführt wird. Einschränkend ist dabei erforderlich, dass der Drohende objektiv den Eindruck einer gewissen Ernsthaftigkeit vermittelt. Zudem erfasst § 113, lediglich die Drohung mit Gewalt in dem oben dargelegten Sinne, so dass die Drohungen mit anderen Nötigungsmitteln nicht den Tatbestand erfüllt, insbesondere also nicht die Drohung mit einem empfindlichen Übel wie bei § 240.


Problematisch sind in diesem Zusammenhang Fallkonstellationen, in denen der Täter zwar § 240, nicht hingegen § 113 verwirklicht.


Beispiel 1: A droht einer Politesse Gewalt an, wenn sie sein Falschparken notiert (vgl. Kindhäuser Strafrecht BT I, 8. Aufl. 2017, § 36 Rn. 59).


Beispiel 2: A droht dem Vollstreckungsbeamten nicht mit Gewalt, sondern lediglich mit einem sonstigen empfindlichen Übel.


Beispiel 3: A hält eine Zivilstreife für eine Privatperson und droht ihr gegenüber damit, Gewalt anzuwenden.


Problembehandlung


Ansicht 1: Nach fast einhelliger Auffassung verdrängt der § 113 den § 240 als lex specialis aufgrund seiner günstigeren Irrtumsregelung (Abs. 4) und dem geringeren Höchstmaß an Freiheitsstrafe (BGH v. 8.6.2004 – 4 StR 150/04). Infolge der Strafrahmenangleichung wurde dies vom Gesetzgeber bestätigt (OLG Frankfurt NJW 1973 1806, 1807; vgl. auch Kindhäuser Strafrecht BT I, § 36 Rn. 57).


Kritik: Der Tatbestand ist durch auftretende Regelungslücken verfassungsrechtlich nicht tragbar (Münchener Kommentar StGB/Bosch, 3. Aufl. 2017, § 113 Rn. 64).


Beispiel 1: Vorliegend erfüllt A nicht den Tatbestand des § 113, da eine Politesse nicht als Vollstreckungsbeamter tätig werden kann. Die Nötigung gem. § 240 bleibt davon unberührt, weil es schon an einer spezifischen Vollstreckungssituation fehlt (Kindhäuser Strafrecht BT I, § 36 Rn. 59).


Beispiel 2: Hier scheitert die Strafbarkeit gem. § 113 daran, dass die Widerstandsleistung des A unterhalb der tatbestandlich vorausgesetzten Schwelle liegt (vgl. Kindhäuser Strafrecht BT I, § 36 Rn. 60). Zwar ist § 240 erfüllt, kommt jedoch nicht zur Anwendung, da § 113 eine hier abschließende Spezialregelung darstellt und mithin eine Sperrwirkung gegenüber der Nötigung entfaltet. A ist somit straffrei.


Beispiel 3: A erliegt einem Tatumstandsirrtum gem. § 16 I. Somit ist § 113 als nicht einschlägig anzusehen. Zwar erfüllt seine Handlung den Tatbestand der Nötigung, jedoch ist auch hier von einer Sperrwirkung des privilegierten Delikts auszugehen (Nomos Kommentar StGB/Paeffgen, 5. Aufl. 2017, § 113 Rn. 75).


Ansicht 2: Demnach soll Tateinheit gegeben sein und somit § 240 auch zur Anwendung kommen, wenn nach Ansicht 1 eigentlich eine Sperrwirkung bestehen würde (MK/Bosch, § 113 Rn. 64). Dafür werden § 113 Abs. 3 und Abs. 4 analog angewandt (Lackner/Kühl/Heger StGB, 29. Aufl. 2018, § 113 Rn. 26) und somit der Strafrahmen des § 113 in den Tatbestand des § 240 hineingespiegelt (OLG Hamm NStZ 1995, 547, 548). Mittels dieser Folge ist es möglich, die entstehenden Strafbarkeitslücken ad acta zu legen, ohne, dass der Tatbestand seines eigenständigen Rechtsgutsgehalts beraubt würde (MK/Bosch, § 113 Rn. 64).


Kritik: Nach dieser Ansicht werden die durch den historischen Gesetzgeber gezogenen und im Weiteren bestätigten Grenzen überschritten (MK/Bosch, § 113 Rn. 64). Darüber hinaus kann es einzig dem Gesetzgeber überlasen sein, Tatbestände neu zu schöpfen. Der Rechtsanwender ist in dieser Hinsicht zur Restriktion angehalten ist (NK/Paeffgen, § 113 Rn. 90).


Beispiel 1: Aufgrund der nicht gegebenen erforderlichen Vollstreckungssituation, scheidet eine Strafbarkeit gem. § 113 aus. Auch nach dieser Ansicht ist § 240 uneingeschränkt anwendbar.


Beispiel 2: Zwar ist § 113 nicht erfüllt, jedoch soll die Sperrwirkung für § 240 entfallen. Als Ausgleich wird der Strafrahmen des § 113 für § 240 angewandt.


Beispiel 3: Auch hier entfaltet sich keine Sperrwirkung, wodurch § 240 anwendbar ist und ein, dem Rechtsempfinden entsprechendes, Ergebnis erzielt werden kann.















Die Seite wurde zuletzt am 5.5.2023 um 14.47 Uhr bearbeitet.



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