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Schadenskompensation







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Betrug; Schaden; Vermögensschaden; Vermögenskompensation; Kompensation; Gegenanspruch; Unmittelbarkeit; Vermögensverfügung; Rückgängigmachung; Entschädigung; Wiedergutmachung; Rückabwicklung; gesetzliche Rückabwicklung


Problemaufriss


Der Betrugstatbestand schützt nur das Vermögen, nicht die bloße Dispositionsfreiheit. Eine Strafbarkeit nach § 263 scheidet deshalb mangels Vermögensschaden aus, sofern die Vermögensminderung durch ein aus der Vermögensverfügung fließendes Äquivalent voll ersetzt wird (BGH NStZ 1999, 353, 354; Satzger/Schluckebier/Widmaier/Satzger StGB, 5. Aufl. 2021, § 263 Rn. 214; Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT II, 43. Aufl. 2020, Rn. 547).


In diesem Zusammenhang stellt sich bei den folgenden drei Fallgruppen die Frage nach einer hinreichenden Schadenskompensation**.**


Hinweis: Dieses Problemfeld weist durch die teilweise Verzahnung mit dem Zivilrecht eine erhöhte Schwierigkeit auf und ist daher jedenfalls im Examen zu beherrschen.


Ohne Bedeutung für die Schadensberechnung sind nachträgliche Wiedergutmachungen wie z.B. vertragliche (z.B. von Versicherungen) oder freiwillige Leistungen Dritter sowie staatliche Entschädigungen (Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT II, Rn. 548; Satzger/Schluckebier/Widmaier/Satzger StGB, § 263 Rn. 226).


Fraglich ist, wie es sich mit gesetzlichen Ansprüchen verhält, die eine Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts ermöglichen (z.B. Schadensersatz nach § 823 II BGB i.V.m. § 263 I oder § 812 I BGB infolge einer Anfechtung nach § 123 I BGB).


Insofern herrscht weitgehend Einigkeit, dass gesetzliche Ansprüche in den allermeisten Fällen keine hinreichende Kompensation bieten, wobei die Begründungen hierfür auseinander gehen.


Ansicht 1: Die h.M. führt an, dass diese Ansprüche stets entstünden, so dass es andernfalls einen Eingehungsbetrug gar nicht geben könne (so BGH NJW 1968, 261). Außerdem seien derartige gesetzliche Ansprüche lediglich in der Lage, den Schaden im Nachhinein wieder zu beseitigen, nicht aber dessen Eintritt zu verhindern. (Leipziger Kommentar StGB/Tiedemann, 12. Aufl. 2012, § 263 Rn. 166).


Kritik: Kritisiert wird hieran, dass der zirkelschlüssige Hinweis darauf, dass es bei der Berücksichtigung derartiger Ansprüche einen Eingehungsbetrug niemals geben könne, nicht überzeugen könne (vgl. MüKo StGB/Hefendehl, 4. Aufl. 2022, § 263 Rn. 769). Der gesetzliche Anspruch entstehe zudem bereits mit der Vermögensverfügung. Sollte also der Anspruch – und nicht erst dessen Erfüllung – wirtschaftlich wertvoll sein, so würde dieser den Schaden nicht erst im Nachhinein wieder beseitigen.


Ansicht 2: Andere weisen dagegen darauf hin, dass die (gerichtliche) Durchsetzung der gesetzlichen Ansprüche meist nicht zweifelsfrei sei, weshalb der Wert des Anspruchs regelmäßig schon nicht in einer Höhe zu beziffern sei, die eine vollständige Schadenskompensation bewirken könnte (MüKo/Hefendehl§ 263 Rn. 772).


Die Annahme, ein Schadensersatzanspruch nach § 823 II BGB könne eine Schadenskompensation bewirken, liefe zudem auf eine systemwidrige, zirkuläre Argumentation hinaus. Denn die Erfüllung des Betrugstatbestandes bedeutet immer auch die Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne des § 823 II BGB. Wenn dieser Anspruch nun in der Lage wäre, den betrugsrelevanten Vermögensschaden zu kompensieren, läge von vornherein wiederum kein Betrug vor, der den Anspruch aus § 823 II BGB begründen könnte.


Im Hinblick auf den Bereicherungsanspruch nach den §§ 812 ff. BGB infolge einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 I BGB, ist eine vollständige Kompensation nur gegeben, wenn der Bereicherungsanspruch sicher werthaltig und die Täuschung für den Getäuschten evident wäre; naturgemäß kann eine Täuschung aber gerade nicht dergestalt offenkundig sein (MüKo/Hefendehl § 263 Rn. 772).


Ansicht 1: Nach der Rechtsprechung des BGH entstehe dem Getäuschten bei Vereinbarung eines vertraglichen Rücktrittsrechts dann kein Vermögensschaden, wenn er seine Leistung noch nicht erbracht habe. Denn er könne hierdurch den Vertrag durch einseitige Erklärung beseitigen, ohne dabei auf eine im Ausgang ungewisse Anfechtung angewiesen zu sein; außerdem wisse er im Gegensatz zu den gesetzlichen Ansprüchen in aller Regel um das vereinbarte Rücktrittsrecht, sodass er es problemlos geltend machen könne (BGH, Urt. v. 05.11.1970 – 4 StR 423/70; zust. Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT II, Rn. 549).


Ansicht 2:   Nach anderer Ansicht kommt es für die Frage, inwieweit eine Position so weit vor Risiken abgeschirmt werden kann, dass seine Durchsetzung zweifelsfrei ist (MK/Hefendehl,  § 263 Rn. 777). Das wird zwar bei einem vertraglich vereinbarten Rücktrittsrecht regelmäßig der Fall sein, doch ist dies nicht zwingend. Um das Rücktrittsrecht als wirtschaftlich wertvoll anzusehen, sei über die regelmäßig anzunehmende Kenntnis von dem vereinbarten Rücktrittsrecht erforderlich, dass auch die fehlende Vertragsmäßigkeit der Ware für den Vertragspartner erkennbar ist. Andernfalls könne das Rücktrittsrecht den Schaden nicht kompensieren. Das gleiche müsse auch für den Fall gelten, dass der Rücktrittsberechtigte zwar um alle Umstände des Einzelfalles weiß, aufgrund intellektueller Überforderung jedoch schlicht nicht in der Lage ist, das ihm eingeräumte Recht zu verstehen (MK/Hefendehl, § 263 Rn. 777).


1. Gesetzliche Pfandrechte


Ansicht 1: In der Rechtsprechung wird teilweise angenommen, dass ein gesetzliches Pfandrecht (wie das Werkunternehmerpfandrecht) nicht in der Lage sei, den Schaden zu kompensieren. Zum einen ergäbe sich das Pfandrecht nicht unmittelbar aus der Vermögensverfügung. Denn der Schaden entstehe bereits mit Vertragsschluss, das Pfandrecht hingegen erst mit Beginn der Reparatur. Zum anderen sei das Pfandrecht lediglich gesetzlicher Natur (BayObLGSt 1973, 210, 211).


Kritik: Der Hinweis auf die Gesetzlichkeit des Anspruchs sowie die vermeintlich fehlende Unmittelbarkeit können wenig überzeugen. Denn ohne, dass der Schuldner dies einschränken könnte, kann das Pfandrecht – sofern der Werkunternehmer Kenntnis davon hat – problemlos realisiert werden. Aufgrund der Natur des Pfandrechts befindet sich der Sicherungsgegenstand ja auch im Besitz des Gläubigers (MüKo/Hefendehl§ 263 Rn. 794; Amelung NJW 1975, 624 ff.).


Ansicht 2: Nach der Gegenauffassung sei ein gesetzliches Pfandrecht regelmäßig in der Lage, einen Schaden voll zu kompensieren (MüKo/Hefendehl, § 263 Rn. 794). Das kann gewiss nur gelten, soweit der Wert des verpfändeten Gegenstands mindestens dem der Vermögensminderung entspricht.


2. Andere dingliche und schuldrechtliche Sicherheiten


Auch andere dingliche (z.B. eine Grundschuld oder Hypothek) und schuldrechtliche Sicherheiten (z.B. eine Bürgschaft) können die Entstehung eines Vermögensschadens verhindern. Es kommt aber auf den tatsächlichen Wert der Sicherheit und zwar im Zeitpunkt der Vermögensverfügung an. Diese Werthaltigkeit wird bei Käufen im Internet mit einem solventen Zahlsystem (bspw. Paypal) regelmäßig gegeben sein (MüKo/Hefendehl, § 263 Rn. 793).





















Die Seite wurde zuletzt am 18.4.2023 um 9.36 Uhr bearbeitet.



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