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Schwarze Kassen







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Treubruchtatbestand; Missbrauchstatbestand; Schmiergeld; Bestechung; Untreue; Schaden; Siemens; Kanther; Dispositionsmöglichkeit


Problemaufriss


Mit Einrichtung einer schwarzer Kassen werden Geldmittel eines Unternehmens  – entgegen dem Gebot der Vollständigkeit und Richtigkeit der Buchführung (§ 239 II HGB) – dem gewöhnlichen Geldkreislauf entzogen und außerhalb dieses Kreislaufs liegenden Konten, Kassen oder Treuhändern zugeführt. Die Gelder können dann zu Schmiergeldzahlungen an Dritte genutzt werden, um lukrative Aufträge für das Unternehmen zu bekommen.


Beispiel: B ist leitender Buchhalter eines Geschäftsbereichs der S-AG; er ist befugt, Zahlungen in unbegrenzter Höhe anzuweisen. B legte diverse Konten in der Schweiz und in Liechtenstein an, die nicht auf den Namen der S liefen. Sie waren der Geschäftsführung nicht bekannt und wurden von ihr auch nicht gebilligt. Die Konten dienten der Zahlung von Bestechungsgeldern an Entscheidungsträger potenzieller Kunden der S. Dieses Vorgehen verstieß gegen unternehmensinterne Compliance-Regeln. Die S-AG erwirtschaftete infolge der durch dieses System erlangten Aufträge Gewinne in Höhe von über 100 Mio. Euro (vgl. BGHSt 52, 323).


Fraglich ist, ob B sich durch das Betreiben derartiger Konten wegen Untreue nach § 266 I strafbar gemacht hat.


In diesem Zusammenhang stellen sich indes gleich mehrere Fragen. Es empfiehlt sich daher, eine falllösungsorientierte Darstellung:


Problembehandlung


Aufgrund der Spezialität ist vorrangig zunächst eine Strafbarkeit nach § 266 I Var. 1 (Missbrauchstatbestand) zu prüfen. Voraussetzungen hierfür ist eine Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis bzgl. fremden Vermögens und ein Missbrauch dieser Befugnis. Außerdem muss der Täter auch nach dieser Tatvariante eine Vermögensbetreuungspflicht innehaben.


B war zur Wahrnehmung der Vermögensinteressen der S-AG verpflichtet, ihn traf damit eine Vermögensbetreuungspflicht.


Als leitender Buchhalter eines Geschäftsbereichs konnte B wirksame Vermögensverfügungen für die S-AG vornehmen; hatte also eine Verpflichtungsbefugnis.


Der Täter missbraucht seine Befugnis, wenn er bei Einhaltung des rechtlichen Könnens im Außenverhältnis das rechtliche Dürfen im Innenverhältnis überschreitet. Erfasst werden folglich lediglich Fälle wirksamen rechtsgeschäftlichen Handelns des Täters (Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT II, 42. Aufl. 2019, Rn. 753). Im vorliegenden Fall verstoßen die den Schmiergeldzahlungen zugrunde liegenden Vereinbarungen zwischen B und den Mitarbeitern der anderen Unternehmen im Außenverhältnis jedoch gegen § 299 II Nr. 2 oder sind als unlautere Beeinflussung als sittenwidrig zu bewerten, weshalb sie nach § 134 BGB oder § 138 BGB nichtig sind. Aufgrund des Zwecks ebenfalls sittenwidrig und damit nichtig ist die Einrichtung und Verwaltung der Schwarzgeldkonten. Die S-AG wurde im Außenverhältnis daher nicht rechtswirksam durch die Geschäfte des B gebunden (Schneider RÜ 2009, 30). B hat sich damit nicht nach § 266 I Var. 1 strafbar gemacht.


Es bleibt die Möglichkeit der Strafbarkeit nach § 266 I Var. 2 (Treubruchtatbestand). Voraussetzungen dafür sind die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht als ein Tun oder Unterlassen, das im Widerspruch zur Treuepflicht steht, sowie der Eintritt eines Vermögensschadens (vgl. Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf Strafrecht BT, § 22 Rn. 37 ff.). Die Vermögensbetreuungspflicht kann sich hier im Unterschied zum Missbrauchstatbestand auch aus einem rein tatsächlichen Treueverhältnisergeben, womit auch rein faktische Rechtsverhältnisse einbezogen werden. Darüber hinaus ist hier nicht vorausgesetzt, dass die Rechtsmacht nach außen wirksam ausgeübt wird; es genügt jeder pflichtwidrige Einsatz der internen Rechtsmacht (Satzger/Schluckebier/Widmaier/Saliger StGB, 4. Aufl. 2019, § 266 Rn. 24).


Das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht wurde bereits bejaht.


Die Compliance-Regelungen verbieten die Errichtung schwarzer Kassen. B hat seine Vermögensbetreuungspflicht daher verletzt. Wegen der ausdrücklichen Regelung in den Compliance-Regelungen scheidet auch eine tatbestandsausschließende Einwilligung oder eine rechtfertigende mutmaßliche Einwilligung der Unternehmensführung der S-AG aus.


Als Treugeberin müsste die S-AG einen Schaden erlitten haben. Der Schadensbegriff entspricht dabei dem des § 263 (Münchener Kommentar StGB/Dierlamm, 3. Aufl. 2019, § 266 Rn. 201). Ob bereits in der bloßen Einrichtung schwarzer Kassen – noch vor der Zahlung von Bestechungsgeldern aus diesen –, ein Schaden liegt, ist umstritten.


Ansicht 1: Im Fall Kanther/Weyrauch (BGH NJW 2007, 1760) vertritt der BGH die Ansicht, dass bereits die Einrichtung schwarzer Kassen einen Vermögensnachteil iSd § 266 I begründe. Mit der Überweisung der Gelder auf die Schmiergeldkonten werde eine schadensgleiche Vermögensgefährdung begründet. In einer neueren Entscheidung (Siemens/ENEL, BGHSt 52, 323) bejaht der BGH sogar die Entstehung eines endgültigen Vermögensverlusts auf Seiten des Unternehmens. Spätere Bestechungszahlungen stellten lediglich eine Schadensvertiefung dar. Schließlich entziehe der Arbeitnehmer durch die Überweisung auf verdeckte Konten die Vermögensteile seines Arbeitgebers diesem entgegen dessen ausdrücklicher Weisung (vgl. die Compliance-Regeln) dauerhaft. Dieser Verlust werde nicht dadurch ausgeglichen, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die vage Chance verschaffen will, mit dem Geld letztlich einen Vermögensvorteil zu erlangen, soweit ein solcher nur durch den gesetzes- oder sittenwidrigen Einsatz der Mittel möglich wäre (BGHSt 52, 323, 336 ff.).


Kritik: Diese Ansicht erweitert den Schutzbereich unsachgemäß vom Vermögen des Opfers auf dessen Dispositionsfreiheit: Die Gelder bestehen weiterhin, nur nicht auf Konten, auf die die Unternehmensführung zugreifen kann; es fehlt damit zumindest so lange an einem wirtschaftlichen Minderwert, wie die Gelder in voller Höhe wieder zurückgeführt werden können. Die Rspr. des BGH läuft auf eine zu weitgehende Anwendung des Untreuetatbestandes hinaus (MK/Dierlamm, § 266 Rn. 248, 16).


Ansicht 2: Nach anderer Auffassung begründet allein die Einrichtung schwarzer Kassen noch keinen Vermögensschaden auf Seiten des Unternehmens. Denn die auf den Auslandskonten liegenden Gelder bildeten einen wirtschaftlich vollwertigen Vermögenswert; dieser stehe auch dem Treugeber (hier: S-AG) zu. So lange also sichergestellt sei, dass die Gelder jederzeit zurückgeführt werden können, scheide ein Minderwert und damit ein Vermögensnachteil aus (MK/Dierlamm, § 266 Rn. 248, 16).


Kritik: Werden dem Treugeber Mittel entzogen, über die dieser mangels Wissen um die entsprechenden Konten nicht verfügen kann, betrifft dies den Kern des Untreuetatbestands, der gerade die Disposition über das eigene Vermögen schützen will (BGHSt 52, 323, 338 f.).


Bejaht man mit dem BGH einen Schaden, so kommt – nach Feststellung von Vorsatz, Rechtswidrigkeit und Schuld – gegebenenfalls auch die Verwirklichung eines Regelbeispiels nach §§ 266 II, 263 II 2 Nr. 2 Alt. 1 wegen Herbeiführung eines Vermögensverlusts großen Ausmaßes in Betracht, der ab einem Schaden von 50.000 EUR bejaht wird (vgl MK StGB/Hefendehl, § 263 Rn. 978).















Die Seite wurde zuletzt am 18.4.2023 um 9.54 Uhr bearbeitet.



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