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Einwilligung aufgrund täuschungsbedingten Irrtums







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Einwilligung; Willensmängel; Willensmangel; Irrtum; Täuschung; irrtumsbedingte; Wirksamkeit; Unwirksamkeit


Problemaufriss


Während es bei dem tatbestandsausschließenden Einverständnis grundsätzlich lediglich auf die tatsächliche Zustimmung des Beeinträchtigten ankommt, unabhängig davon, ob diese auf einer Täuschung, Drohung oder einem Irrtum beruht, gilt dies nicht automatisch auch hinsichtlich der Wirksamkeit einer – nach (wohl noch) herrschender Auffassung – rechtfertigenden Einwilligung.


Umstritten ist, inwiefern ein täuschungsbedingter Irrtum beachtlich ist.


Problembehandlung


Ansicht 1: Ein täuschungsbedingter Irrtum des "Einwilligenden" ist nur dann beachtlich, wenn es sich um einen rechtsgutsbezogenen Irrtum handelt. Bei einem solchen ist sich der "Einwilligende" infolge einer Täuschung der Bedeutung, dem Umfang, der Gefährlichkeit oder den Auswirkungen seiner "Einwilligung" nicht bewusst oder verkennt gar, dass er überhaupt ein Rechtsgut preisgibt. Man spricht dabei von einem wesentlichen Willensmangel. Für die Wirksamkeit der Einwilligung ohne Belang hingegen sind bloße Motivirrtümer, bei denen das Opfer genau weiß, dass es ein Rechtsgut preisgibt, jedoch nur infolge einer Täuschung hierzu motiviert worden ist (Studienkommentar StGB/Joecks/Jäger, 12. Aufl. 2018, Vor § 32 Rn. 30 f.; Kühl Strafrecht AT, 8. Aufl. 2017, § 9 Rn. 37, 40; Krey/Esser Strafrecht AT, 6. Aufl. 2016, Rn. 661; Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, 46. Aufl. 2016, Rn. 559; zT einschränkend Gropp Strafrecht AT, 4. Aufl. 2015, § 5 Rn. 84 ff.).


Beispiel: Wird ein Patient vor seiner Behandlung wegen Schnarchproblemen über die Risiken des Eingriffs nicht aufgeklärt, so handelt es sich um einen beachtlichen rechtsgutsbezogenen Irrtum. Wird der Patient korrekt aufgeklärt, willigt er jedoch nur ein, weil ihm gleichzeitig wahrheitswidrig versprochen wird, seine Frau kehre danach wieder zu ihm zurück, oder er erhalte im Rahmen einer Studie Geld hierfür, so stellt dies einen unbeachtlichen Motivirrtum dar.


Diese Ansicht teilt auch die nach rechtsgutsorientierter Betrachtungsweise vorzugswürdige Auffassung, die der Einwilligung tatbestandsausschließende Wirkung zukommen lassen möchte, zumindest hinsichtlich solcher Delikte, bei denen die Einwilligung tatbestandsausschließend neben die übrigen Tatbestandsmerkmale tritt.


Kritik: Es werden so auch die Einwilligungen in den sog. Organspendefällen als wirksam erachtet, in denen ein Arzt einem Vater vorspiegelt, dieser müsse für seine Tochter ein Organ spenden, welches der Arzt in Wirklichkeit zu eigenen Zwecken nutzen will: Hier weiß der Vater genau, was er preisgibt, die Einwilligung wäre damit wirksam und der Arzt gerechtfertigt. Doch dient die Einwilligungsdogmatik gerade der freien Entfaltung des Einzelnen und nicht nur dem bloßen Bestandsschutz der Rechtsgüter.


Ansicht 2: Nach anderer Auffassung stellt grundsätzlich jeder täuschungsbedingte Irrtum einen relevanten Willensmangel dar, also auch Irrtümer des Opfers bezüglich einer Gegenleistung, des verfolgten Zwecks oder der Motive (Rengier Strafrecht AT, 8. Aufl. 2016, § 23 Rn. 27, 32 f.; Hoffmann-Holland Strafrecht AT, 3. Aufl. 2015, Rn. 315; Otto Jura 2004, 679, 680).


Kritik: Auch eine Einwilligung auf Grundlage unrichtiger Motive ist laut Gegenmeinung Ausdruck der Privatautonomie. Derartige Motive beziehen sich lediglich auf Randfragen oder Begleitumstände, sind jedoch mangels Rechtsgutsbezug nicht einwilligungserheblich.


Ansicht 3: Eine vermittelnde Ansicht stellt darauf ab, ob die Einwilligung noch Ausdruck einer selbstbestimmten Entscheidung ist. Der Autonomiegedanke wird in den Vordergrund gerückt. Eine wirksame Einwilligung liegt nicht vor, wenn der Rechtsgutsinhaber sich in einer notstandsähnlichen Zwangslage wähnt. Eine weitergehende Unterauffassung lehnt eine wirksame Einwilligung auch dann ab, wenn der Einwilligende über den altruistischen Zweck seiner Einwilligung getäuscht wird (Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben StGB, 29. Aufl. 2014, Vor § 32 ff. Rn. 47; Roxin Strafrecht AT I, 4. Aufl. 2006, § 13 Rn. 99; Rönnau Jura 2002, 665, 671).


Kritik: Der Autonomiegedanke ist zu unbestimmt. Die individuellen Beweggründe und ihr Gewicht sind für jeden Einwilligenden unterschiedlich schwerwiegend. Die Privatautonomie umfasst das Recht, die Verfügung über die eigenen Rechtsgüter mit selbstgewählten Zwecken zu verbinden. Warum altruistische Zwecke vor rein eigennützigen einen höheren Schutz genießen sollen, wenn auf den Autonomiegedanken abgestellt wird, ist nicht ersichtlich (Rengier Strafrecht AT, § 23 Rn. 31 f.)















Die Seite wurde zuletzt am 14.11.2023 um 9.34 Uhr bearbeitet.



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