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Niedriger Beweggrund







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Mord; Eifersucht; Ehrenmorde; Gesamtwürdigung; Motivbündel; Verwerflich; Nachvollziehbarkeit


Problemaufriss


Das Merkmal der niedrigen Beweggründe stellt einen Auffangtatbestand im § 211 dar. Unterschiedliche Auffassungen herrschen darüber, wie die niedrigen Beweggründe zu definieren sind.


Problembehandlung


Ansicht 1: Die Rechtsprechung verfährt folgendermaßen: „Niedrig ist ein Tötungsbeweggrund, der nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht, durch hemmungslose, triebhafte Eigensucht bestimmt und deshalb besonders verwerflich, ja verächtlich ist“ (BGHSt 3, 133). Die Verwerflichkeit ist umso eher anzunehmen, je mehr die Motivation des Täters unter keinen Umständen mehr „nachvollziehbar“ ist (BGH NStZ 2011, 35).






Ansicht 2: Nach einer anderen Auffassung ist danach zu fragen, ob zwischen dem Tatmotiv und der konkreten Tat ein besonders krasses Missverhältnis besteht (vgl. SK-StGB/Sinn,  9.Aufl. 2017, § 211 Rn. 12).






Ansicht 3: Trennschärfer stellt ein weiterer Teil der Literatur (Hefendehl Jura 1992, 374, 383 m.w.N.) darauf ab, ob die general- und spezialpräventiven Strafbedürfnisse auf das äußerste gesteigert sind, was dann der Fall ist, wenn die Motivation des Täters den Rechtswert des Lebens überhaupt missachtet und somit das kollektive Gefühl der Sicherheit gegenüber Lebensbedrohungen durch andere gefährdet.


Wichtig:


Unabhängig davon, welcher Definition man folgt, ist im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung eine Gesamtabwägung durchzuführen!






Sonderfälle:


1. Der politisch motivierte Mord\, z.B. terroristische Akte


Entgegen früher vertretenen Ansichten stellt der politisch motivierte Mord weder per se einen Mord aus niedrigen Beweggründen dar, noch schließt diese Motivationslage einen solchen aus. Denn weder sind politische Beweggründe für einen Mord stets niedrig, da es andere – demokratische – Mittel gäbe, seine Ziele durchzusetzen, noch ist der politische Beweggrund an sich für einen Mord derart achtenswert, dass eine Bewertung als niedrig ausscheide (gute Darstellung dieses Fragenkreises inMaurach/Schroeder/Maiwald BT I, 11. Aufl. 2019, § 2 Rn. 38). Bei Morden, die einen rassistischen Hintergrund haben, wird meist der niedrige Beweggrund angenommen.


2. Blutrache und Ehrenmorde


Bsp. nach BGH NJW 2006, 1011 : Das Oberhaupt der Familie A wird erschossen. Gemeinhin herrscht der Verdacht, B habe die Tat begangen. Eine strafrechtliche Verurteilung konnte jedoch mangels Beweislage nicht erfolgen. Um die Familienehre wieder herzustellen, ermorden C und D den B.


Eine wichtige Konstellation stellen die sog. Fälle der Blutrache und Ehrenmorde dar. Sie stellen den strafrechtlichen Rechtsanwender vor die Frage, inwieweit die kulturelle Pluralisierung in der Gesellschaft einen Niederschlag in der Rechtsanwendung findet.


Der BGH (NJW 2006, 1011) erklärt hierzu: „Dabei ist der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe, die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt, zu entnehmen.“


Dann bleibt der BGH  seiner ständigen Rechtsprechung treu und erklärt, dass Gefühlsregungen wie Wut, Zorn, Ärger, Hass und  Rachsucht in den Fällen nicht als niedrige Beweggründe anzusehen seien, in denen der objektive, neutrale Betrachter dem Aufkommen dieser Gefühlsregungen Verständnis entgegenbringe, da sie auf einem „beachtlichen, jedenfalls einleuchtendem Grunde“ beruhen würden.


In der vorliegenden Fallgestaltung könne die Wiederherstellung der Familienehre mittels Tötung aber nicht als beachtlicher, einleuchtender Grund verstanden werden (BGH NJW 2006, 1011). Allerdings hebt der BGH hervor, dass allein der Umstand, dass man es mit einer sog. Blutrache zu tun habe, noch nicht notwendigerweise zur Annahme eines niedrigen Beweggrundes führen dürfe. Auch in diesen Fällen sei eine differenzierte Einzelfallbetrachtung angezeigt, wobei insbesondere der vorhergehenden Verlust naher Angehöriger zu berücksichtigen ist.


3. Missachtung des personellen Eigenwerts des Opfers


Ein weiteres Leitbild niedriger Beweggründe ist die Missachtung des personellen Eigenwerts des Opfers. Dies sei nach BGH NStZ 2015, 33, 34 bei einem außergewöhnlich brutalen, eklatant menschenverachtenden Tatbild anzunehmen. Hierunter fällt nach BGH NStZ 2015, 690, 691 auch das bewusste Abreagieren von frustrationsbedingten Aggressionen an einem dafür nicht verantwortlichen, willkürlich ausgewählten Opfer. Nach BGH NStZ-RR 2004, 332 kann ein Mord aus niedrigen Beweggründen auch dann vorliegen, wenn der Täter in dem Bewusstsein handelt, keinen Grund für eine Tötung zu haben oder zu brauchen.


4. „Verdeckungsnahe“ Beweggründe


Bsp.1: A tötet den Polizisten P, um sein Festnahme zu verhindern bzw. seine Flucht zu ermöglichen.


Bsp.2: A tötet den Prostituierten P mit dem sie die Nacht verbracht hat, damit ihr Mann nichts von ihrem Besuch bei P erfährt.


Zu Bsp. 1: Entsprechend den Ausführungen zu Mord aus Verdeckungsabsicht handelt nicht dementsprechend, wer lediglich seine Festnahme vereiteln will. Der Unrechtsgehalt ist aber vergleichbar, so dass hier der Auffangtatbestand der niedrigen  Beweggründe greift (Rengier BT II, 22. Aufl. 2021, § 4 Rn. 118, 120).


Zu Bsp. 2: Hier verfolgt der Täter das Ziel sein eignes "Fehlverhalten" zu verdecken, das er zwar nicht für strafbar, aber für sein Ansehen/seine Situation schädlich hält. Hier ist die Tötung eine Menschen als besonders verwerflich zu werten, da die Folgen, um deren Verdeckung es dem Täter geht, zumeist nicht so gravierend sind wie bei Straftaten.






5. Eifersuchtsmorde


Eine weitere Fallgruppe stellen Eifersuchtsmorde dar. Solche Gefühle sind der menschlichen Natur nicht fremd und insoweit nicht zwingend Ausdruck hemmungsloser, triebhafter Eigensucht. Die Lösung des Problems kann nicht allgemeingültig formuliert werden. Entscheidend ist der konkrete Sachverhalt. Je nachvollziehbarer die Eifersucht ist, desto eher sind niedere Beweggründe abzulehnen. Je mehr die Eifersucht auf egozentrischen Motiven des Täters beruht ("wenn ich dich nicht bekomme, soll dich keiner bekommen"), desto eher ist von niedrigen Bewegründen auszugehen (Rengier BT II, 22. Aufl. 2021, § 4 Rn. 40)






6. Motivbündel


Bei Motivbündeln ist danach zu fragen, welches Motiv tatbestimmend bzw. bewusstseinsdominant war. Insofern ist es möglich, dass ein Motiv, das tatbestimmend ist und nicht auf sittlich und ethisch niedrigster Stufe (Definition des BGH) steht, ein anderes, lediglich im Hintergrund stehendes Motiv verdrängt und somit zu einer Ablehnung der niedrigen Beweggründe führen kann.















Die Seite wurde zuletzt am 6.5.2024 um 21.33 Uhr bearbeitet.



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