04.10.2006


Nochmals - Hakenkreuz,Nazigegner und § 86a StGB

Nun also doch: Der Geschäftsführer des Versandhandels Nix-Gut und bekennender Nazi-Gegner ist wegen des Feilbietens von durchgestrichenenen Hakenkreuzen vom Stuttgarter Landgericht des Verwendens von verfassungsfeindlichen Symbolen gem. § 86a StGB zu einer Geldstrafe von 3.600 Euro verurteilt worden. Damit ist ein weiterer trauriger Höhepunkt in der strafrechtlichen Auseinandersetzung mit Nazigegnern geschaffen worden. Zur strafrechtlichen Würdigung kann auf den Newsletter-Beitrag vom 7. April 2006 verwiesen werden. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart, die auf eine Geldstrafe in Höhe von 6.000 Euro plädierte, sah in dem Treiben des Versandhandels das Gewinnstreben im Vordergrund und eben nicht den dokumentarischen Zweck (wie zum Beispiel in einem Geschichtsbuch). Deswegen müsse eine Verurteilung erfolgen. Ziel sei es, dass das Hakenkreuz generell aus dem öffentlichen Raum verschwinde. Auch die Stuttgarter Richter warfen dem Angeklagten vor, mit diesem Teil seiner Versandwaren zu der Gefahr eines Gewöhnungseffekts beigetragen zu haben – und § 86a StGB fordere eine grundsätzliche Tabuisierung dieses Zeichens. Das wirft die Frage auf, ob in Stuttgart noch die in Art. 5 GG geschützte Meinungsfreiheit gilt, dessen Schutzbereich auch das Äußern der Meinung umfasst. Das Stuttgarter Argument, den Protest gegen Nazis auch in anderer Form äußern zu können, überzeugt jedenfalls kaum. Gegen dieses Urteil wurde seitens der Verteidigung Revision beim BGH eingelegt. Damit ist der Weg für Rechtssicherheit in dieser Frage geschaffen. So engagiert der Protest seitens der Politik unter anderem in Gestalt von Claudia Roth und Niels Annen ist – beide erstatteten Selbstanzeige wegen Verstoßes gegen § 86a StGB – es sollte seitens der Gesetzgebung nicht nur der § 86a StGB modifiziert, sondern ganz abgeschafft werden. Das Strafrecht dient dem Rechtsgüterschutz. Welches Rechtsgut schützt § 86a StGB?

Noch ein statistischer Hinweis zu § 86a StGB: Die Strafverfolgungsstatistik für das Jahr 2003 weist 591 Verurteilungen auf, davon waren 378 Verurteilte zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt unter 25 Jahren alt. Die Zahl der Ermittlungsverfahren ist aus der Polizeistatistik nicht ersichtlich, weil die Staatsschutzdelikte gesondert – und zudem als Verschlusssache – geführt werden.

Und ein Letztes: Die Strafe wurde auf 90 Tagessätze á 40 Euro festgesetzt, damit gilt der Verurteilte als nicht vorbestraft. Ein Eintrag in das offene polizeiliche Führungszeugnis bleibt also aus. Die Forderung der Staatsanwaltschaft war hingegen 120 Tagessätze á 50 Euro und damit wäre der Versandhändler vorbestraft gewesen.


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