17.10.2009


Kompetenzverbund Sicherheit und Gesellschaft - Marc Röhlig bohrt nach

„Der Kompetenzverbund Sicherheit und Gesellschaft kommt genau zur richtigen Zeit.“ So resümiert Investigativ-Jungjournalist Marc Röhlig hoffnungsfroh. Wer kann bei seiner kritischen Analyse und den auf den Punkt gebrachten Fragen da schon widersprechen: „Was muss die Politik leisten, um zum Beispiel Überwachungskameras und Datenspeicherung zu rechtfertigen?“ „Wann werden Sicherheitssysteme effizient?“ „Wie lassen sie sich in das System der Grundrechte einbetten?“ – Da packt einen ja fast schon sportiver Eifer, diese kniffligen Aufgaben zur Zufriedenheit unserer Sicherheitspolitiker in den Griff zu bekommen, ohne zu sehr von Grundrechten und weiteren Schranken gebremst zu werden.

Fragen wie „Lässt sich (bereits) die derzeitige Praxis der Überwachungskameras und Datenspeicherung überhaupt rechtfertigen?“ oder „Was hat der (ökonomisch angelegte) Effizienzbegriff hier zu suchen?“ kommen Marc Röhlig leider nicht in den Sinn. Er zitiert vielmehr mit Glanz in den Augen die Initiatoren des Kompetenzverbundes „Sicherheit und Gesellschaft“, wonach die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Technik und Geisteswissenschaftlern „ein besonderes Stellungsmerkmal der Universität Freiburg in ganz Deutschland“, also einzigartig sei – und negiert oder diskreditiert damit unzählige seit Jahren existierende Kooperationen und Institutionen auf diesem Feld, beispielsweise die Institute für Technik- und Umweltrecht an den Universitäten in Trier und Dresden.

Als externer Kooperationspartner wird das Fraunhofer Ernst-Mach-Institut für Kurzzeitdynamik hervorgehoben, ohne offensichtlich auch nur einen Gedanken an die Frage zu verschwenden, ob dieses u.a. mit wehrtechnischer Forschung befasste Institut so recht passt. „Warum denn nicht?“, könnte man ganz im Duktus des Beitrages zurückfragen: Schafft doch auch Sicherheit. Überflüssig scheint es Marc Röhlig ferner zu sein, einer möglichen Verquickung von industriellen Interessen etwa der Züblin AG und wissenschaftlichen Fragestellungen weiter nachzugehen. Möglicherweise würde er von einer Vernetzung sprechen, ein Begriff, der seit einiger Zeit seine negative konnotative Bedeutung abgelegt hat.

Marc Röhlig beginnt seinen Beitrag beginnt mit einem Zugunglück und schließt mit Szenarien von Umweltkatastrophe und Terroranschlag. Im Ergebnis sei alles eins: Die Schlüsselfrage sei diejenige, wie sich effektiv Leben schützen oder retten lasse, wie man im Ernstfall maximale Leistung erzielen könne. – Wer die Fragen derart simplifiziert und die Rettungsversorgung eines Unfallopfers mit den Bemühungen um die Perfektionierung einer Sicherheitsgesellschaft in eins setzt, beweist eindrucksvoll, dass noch Luft nach oben ist. Wir jedenfalls thematisieren seit Jahren in unseren Law & Politics-Beiträgen das im Artikel zu einer Art Feigenblatt verkommene „Risiko“. Nein, nicht das Risiko eines Anschlags, sondern das Risiko, dass unter dem Deckmantel der Sicherheit endgültig all dasjenige unter die Räder kommt, was einen freiheitsschützenden Staat einmal ausmachte.