02.11.2012


Das Elend erfahren

Am 7. November wird der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts erfahren, wie das Elend der Praxis des Strafverfahrens aussieht. Diese hat ganz überwiegend weder etwas mit den naiven Grundsätzen des Großen Senats für Strafsachen aus dem Jahr 2005 noch mit dem ebenso lust- wie hilflosen Versuch des Gesetzgebers in Gestalt des § 257c StPO aus dem Jahr 2009 zu tun. Die Praxis des Strafverfahrens ist vielmehr von nötigenden Sanktionsscheren mit sog. Kurzstreckentarifen für den Fall geprägt, dass einem das mühsame Suchen nach der sog. materiellen Wahrheit erspart bleibt. Ein schlankes Geständnis wird da schon einmal in einem knappen Drittel der Fälle als ausreichend angesehen, ohne dass man dies weiter hinterfragt. Und dass man es hinterfragen sollte, machen eben die strafrechtsrelevanten Drucksituationen mehr als explizit.

Das alles weiß man eigentlich seit vielen Jahren, aber Altenhain hat es in einer Befragung von 330 Richtern, Staatsanwälten und Strafverteidigern noch einmal bestätigt. Dass die Praxis sich um die Norm des § 257c StPO überwiegend schlicht nicht schert, ist ebenfalls gezeigt worden.

Die Lösung läge in einer aufwändigen Gesamtreform des Strafverfahrens, die sich all diese Erkenntnisse zu Herzen nimmt und ein ausgewogenes Machtgleichgewicht der Beteiligten schafft, das nicht lediglich auf dem Papier existiert.

In letzter Zeit wagt sich das BVerfG ja des Öfteren in die Rolle des Gesetzgebers hinein, weil es offensichtlich mit seiner Arbeit unzufrieden ist. Hier sollte es zumindest die eindeutigen Voraussetzungen dafür schaffen, dass mit der scheinheiligen Überlegitimierung eines straf- und verfassungswidrigen Instituts Schluss ist.