Der Artikel
StA Mainz stellt Strafverfahren gegen Böhmermann ein
Nun endete das Strafverfahren gegen Jan Böhmermann also tatsächlich, wie es ein Drittel der an unserer diesbezüglichen Abstimmung Beteiligten prognostiziert hatte: mit einer Einstellung seitens der Staatsanwaltschaft Mainz gemäß § 170 Abs. 2 StPO, die sowohl den Tatvorwurf der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes gemäß § 103 StGB als auch die bloße Beleidigung nach § 185 StGB umfasst.
Wenngleich sich für diese Entscheidung gewiss gute Gründe finden lassen, lesen sich die den Einstellungsbeschluss stützenden Ausführungen der Staatsanwaltschaft teilweise etwas unbefriedigend.
Ihrer Argumentation nach scheitert eine Strafbarkeit Böhmermanns in erster Linie am fehlenden Vorsatz. Die verzerrende Darstellung des türkischen Präsidenten Erdogan im vorgetragenen Gedicht habe er durch die begleitende Moderation des Beitrages kenntlich machen wollen. Die vollkommen übertriebenen und abwegigen Bezeichnungen zeigten im Gesamtkontext der Sendung, dass es ihm nicht um einen ernsthaften Angriff auf Erdogans persönlichen Geltungsanspruch ginge.
Isoliert betrachtet ist diese Wertung nachvollziehbar. Im von der Staatsanwaltschaft gewählten Weg lässt sich aber auch eine elegante Umschiffung der eigentlich brisanten Fragestellungen und Abwägungen sehen, die sich schon auf der Ebene des objektiven Tatbestands auftun. Die Staatsanwaltschaft spürt zwar, dass sie sich einer Einschätzung diesbezüglich nicht gänzlich verweigern kann. Sie verweist dann auch auf die eine Strafbarkeit wegen Beleidigung begrenzenden Grundrechte der Meinungs- und Kunstfreiheit (Art. 5 Abs.1 bzw. Abs. 3 GG), deren allgemeine Schutzbereiche und Schrankensystematik sie etwas langatmig rezitiert, und äußert vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund und angesichts der Entstehungsgeschichte, der aktuellen Einbindung und der konkreten Gestaltung des Beitrages Zweifel am Vorliegen einer tatbestandlichen Beleidigung. Ihre durchweg im Konjunktiv gehaltenen Äußerungen bleiben hier aber trotz der durchscheinenden Tendenz in ihrer intendierten Unverbindlichkeit etwas blass.
Was nun bleibt? Ein Moderator, der bei seiner Profilierung als linksliberaler Posterboy und standhafter Märtyrer der Meinungs- und Satirefreiheit einen weiteren Erfolg verbuchen kann und diesen auch gleich in den sozialen Netzwerke zelebrierte (das kleinlaute Ersuchen um Hilfe bei Kanzleramtsminister Altmaier nach Ausbruch der Affäre geflissentlich ausblendend). Ein türkischer Präsident, der gegen den Einstellungsbeschluss Beschwerde einlegen und die Angelegenheit somit in die nächste Runde schicken könnte (was einem hoffentlich erspart bleibt, da sie mittlerweile rechtlich weitgehend ausdiskutiert ist und überwiegend noch von den Eitelkeiten der beteiligten Akteure getragen zu werden scheint). Eine deutsche Bundeskanzlerin, die sich von Heribert Prantl dafür auf die Schulter klopfen lassen darf , dass sie im Frühjahr die für eine Strafverfolgung Böhmermanns nach § 103 StGB erforderliche Ermächtigung erteilte und die überhitzte Debatte somit der deutschen Justiz übertrug (ihre vorschnelle Einordnung des Gedichts als „bewusst verletzend“ bleibt dennoch inhaltlich falsch und in Timing und Signalwirkung unüberlegt). Eine in strafverfahrensrechtlichen Fragen nicht ganz sattelfeste deutsche Presse, die betonte, für Böhmermann sei die Sache noch nicht gänzlich ausgestanden, da ja noch die von Erdogan angestrengte „Privatklage“ bliebe, womit offenbar das am LG Hamburg anhängige Zivilverfahren gemeint war, in dem Erdogan ein Verbot der weiteren Verbreitung des Gedichts anstrebt (zum eigentlichen Bedeutungsgehalt der Privatklage vgl. §§ 374 – 394 StPO).
Und ein LSH, der mal wieder an wirklich allem etwas auszusetzen hat.