29.06.2020


Die Evaluation der Sicherheitspartnerschaft – viel Geld für wenig

Die Sicherheitspartnerschaft zwischen der Stadt Freiburg und dem Land Baden-Württemberg war im Jahr 2017 mit durchaus anspruchsvollen Zielen angetreten. Sie sollte nicht nur dafür sorgen, die Kriminalitätsbelastung Freiburgs und insbesondere die Kriminalität im öffentlichen Raum zu senken. Man wollte zudem das angeblich angeschlagene Sicherheitsgefühl der Freiburger Bürgerinnen und Bürger stärken und somit umgekehrt die Kriminalitätsfurcht reduzieren.

In zahlreichen Newsletterbeiträgen haben wir bereits darauf hingewiesen, dass dieses Ziel kaum einzulösen sein wird. Die Vorstellung, über eine gesteigerte Polizeipräsenz, die Einführung eines kommunalen Vollzugsdienstes und der Videoüberwachung sowie Fahndungs- und Kontrollaktionen das Sicherheitsempfinden zu verbessern, geht diametral am aktuellen Stand kriminologischer Forschung vorbei. Danach spiegeln sich in Unsicherheitsgefühlen vielmehr generalisierte Ängste und Sorgen vor dem sozialen Abstieg wider. Unsicherheitsgefühle sind hingegen keine kausale Reaktion auf Kriminalitätsrisiken.

http://www.strafrecht-online.org/nl-2019-01-18 [S. 1 f.]

Umso gespannter warteten wir auf die Ergebnisse der Evaluation der Sicherheitspartnerschaft. Das Freiburger Institut für angewandte Sozialwissenschaft (FIFAS) war 2018 damit beauftragt worden, die Auswirkungen der Sicherheitspartnerschaft auf das Sicherheitsempfinden der Freiburgerinnen und Freiburger zu bewerten. Pünktlich zur ersten Gemeinderatssitzung nach der Corona-Pause Ende Mai lag das Ergebnis der Evaluation vor: „Die befragte Bevölkerung nimmt bislang subjektiv keinen substanziell positiven Effekt durch die Sicherheitspartnerschaft wahr.“

https://strafrecht-online.org/sipa-evaluation [S. 5]

Dieses Ergebnis war bereits deshalb nicht sonderlich überraschend, weil von präventiv-polizeilichen Maßnahmen von vornherein kein positiver Einfluss auf das Sicherheitsgefühl zu erwarten ist. Die fehlende Wahrnehmung eines positiven Effekts der Sicherheitspartnerschaft durch die Befragten hat aber obendrein mit methodischen Problemen zu tun. So wurden die Unsicherheitsgefühle der Freiburgerinnen und Freiburger durch das FIFAS nicht zu verschiedenen Zeitpunkten erhoben. Vielmehr wurden die Befragten nach ihrer Selbsteinschätzung gefragt, also etwa danach, wie sich ihr „persönliches Sicherheitsgefühl insgesamt in den letzten 12 Monaten verändert“ hat.

Es dürfte unschwer zu erkennen sein, dass mit derartigen Selbsteinschätzungen über die Veränderung der eigenen Gefühlswelt – noch dazu über einen derart langen Zeitraum von 12 Monaten – keine validen Aussagen zur Entwicklung von Unsicherheitsgefühlen zu treffen sind. Man weiß vielleicht noch, wie man sich gestern oder in der vergangenen Woche fühlte. Aber wenn man nur ein bis zwei Monate in die Vergangenheit blickt, wird es schon schwieriger, die eigene Stimmungslage zu umschreiben. „Unverändert“ halt, wenn nichts Außergewöhnliches passierte. Das war auch das Ergebnis der Evaluation.

Zudem wurden die in der kriminologischen Forschung diskutierten Ursachen für Unsicherheitsgefühle nur zu einem kleinen Teil abgefragt. So sparte man etwa Fragen zur von Hirtenlehner u.a. vertretenen Prekarisierungsthese aus, die soziale Abstiegsängste mit Kriminalitätsfurcht in Verbindung bringt. Hätte man sich wirklich für die Ursachen von Unsicherheitsgefühlen interessiert, wäre es jedenfalls einen Versuch wert gewesen, auch diese Faktoren zu erheben.

Deutlich besser gelungen ist der Teil der Evaluation, der sich mit Beurteilung der Maßnahmen durch die Freiburger Bevölkerung befasst. Hier ist das Ergebnis für die Sicherheitspartnerschaft jedoch zum Teil vernichtend. So meint die Hälfte der Befragten, es wäre besser, wenn sich lediglich die Polizei – nicht der kommunale Vollzugsdienst – um die Sicherheit kümmere. Ebenfalls 50 % der Befragten plädiert dafür, sich weniger auf Ordnungsstörungen als auf die wirklichen Probleme in Freiburg zu konzentrieren.

Die Videoüberwachung polarisiert in der Freiburger Bevölkerung deutlich. Selbst bei älteren Befragten zeigt sich hier durchaus eine skeptische Haltung (20 % Unbehagen), die bei jüngeren Befragten deutlich ausgeprägt ist (63 % Unbehagen). Befürwortet werden von der Bevölkerung zur Stärkung der städtischen Sicherheit am ehesten nicht-polizeiliche, präventiv orientierte Maßnahmen wie die Gewaltprävention für Jugendliche, der Ausbau des nächtlichen ÖPNV oder die Straßensozialarbeit. Diese drei Maßnahmen werden jeweils von über 90 % der Befragten als „geeignet“ zur Stärkung der Sicherheit angesehen.

Wenn also die Sicherheitspartnerschaft auf eine nicht sonderlich große Akzeptanz in der Freiburger Bevölkerung stößt, trägt sie denn wenigstens zu einer Reduzierung des Kriminalitätsaufkommens bei? Eine Antwort auf diese Frage hatte man sich durch die sog. „ökonomische Evaluation“ der Sicherheitspartnerschaft erhofft, die vom Freiburger Unternehmen „TC Team Consult“ durchgeführt wurde. Das Ergebnis ist jedoch auch in diesem Fall ernüchternd, weil es keinerlei Aussagen über die Wirksamkeit der Maßnahmen erlaubt.

So wurden lediglich die eingesetzten finanziellen und personellen Ressourcen auf der einen Seite den Fallzahlen zur Kriminalität im Hellfeld auf der anderen Seite gegenübergestellt. Festzustellen war das korrelierte Auftreten zweier Ereignisse: Man hatte für die Sicherheitspartnerschaft viel Geld in die Hand genommen und konnte zur selben Zeit Kriminalitätsrückgänge registrieren. Ob aber die sinkenden Fallzahlen auf die neu eingeführten Maßnahmen oder aber eben andere Ursachen zurückzuführen sind, ersparte man sich zu hinterfragen. Die Evaluation vermochte mit anderen Worten keine Kausalität zwischen beiden Ereignissen herzustellen.

Hat man durch die Sicherheitspartnerschaft also die anspruchsvollen Ziele erreicht, mit denen die Vereinbarung 2017 angetreten war? Aus der Evaluation geht dies nicht hervor, die hierfür entscheidenden Fragen blieben offen. Die 77.000 Euro, die der Gemeinderat für die Untersuchung zur Verfügung stellte, hätten angesichts dieses Ergebnisses mit Sicherheit besser investiert werden können.