08.03.2021


Die unfreiwillige Selbstveröffentlichung – nicht mit uns

Das Herumhacken auf der „Generation unsichtbar“ ist noch längst nicht vorbei. Sie soll sich gefälligst endlich demaskieren und in den Zoom-Sitzungen zu erkennen geben. 

Wir haben uns mit deren Motiven bereits befasst und den Universitäten hierüber ein ernüchterndes Zeugnis ausgestellt. Die digitalen Vorlesungen haben das Desinteresse der Studierenden an Kommunikation nur optisch unmissverständlich auf den schwarzen Punkt gebracht, das natürlich bereits davor existierte. Dabei ist ihre Bereitschaft zu kritischer gesellschaftlicher Reflexion und Diskussion durchaus vorhanden, nur eben nicht an der Uni und schon gar nicht in der Vorlesung.

https://strafrecht-online.org/nl-2020-06-26 [S. 5]

Stefan Brink, Datenschutzbeauftragter des Landes Baden-Württemberg, wiederum war auf einer vom LSH mitveranstalteten Tachelesveranstaltung geradezu entsetzt, wie die Lehrenden bisweilen versuchten, fast nötigend die Studierenden im Rahmen der Zoom-Vorlesungen zur Preisgabe ihrer (Bild-)Daten zu veranlassen.

https://strafrecht-online.org/tacheles-brink-2021

Aber ist dies nicht ohnehin ein leichtes Unterfangen, weil junge Menschen jederzeit und überall bereitwillig ihre Daten preiszugeben bereit sind? Stefanie Diekmann räumt in einem Interview zur Soziologie der Videokonferenzen mit diesem Vorurteil auf: Social-Media-Aktivitäten erfolgten weitaus dosierter und auch kontrollierter, als dies auf einer Videokonferenz möglich sei, die man nur bereichsweise im Griff habe. Denn eine solche gehört zur Kategorie der unfreiwilligen Selbstveröffentlichung, die die jungen Menschen nicht sonderlich schätzen. Deren Domäne ist die teilweise überaus aufwendige Selbstinszenierung, wir ein wenig süffisant ergänzen dürfen. 

Junge Menschen haben sich über ihre durchaus intensive Social-Media-Nutzung eine Kompetenz aufgebaut, die sie reservierter macht. Die Generation der häufig nicht mehr ganz taufrischen Lehrenden wiederum, die sich bereits wie ein Schneekönig freut, irgendwie mit der Hilfe junger Menschen in die Zoom-Sitzung gelangt zu sein, schert sich in ihrer Euphorie zunächst einmal nicht groß um ihre Daten. 

Stefanie Diekmann macht bei der Nutzung digitaler Technologien drei Phasen aus: Panik, interessierte Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten sowie eine sicht- und hörbare Ermüdung. Fast scheint es so, als hätten sich die Studierenden überaus rasch und routiniert in die dritte Phase begeben. Daran wird sich auch nach der Pandemie nichts ändern, wenn aus dem Digitalformat irgendwann wieder einmal ein solches im Hörsaal werden sollte. Das Ende des „Emergency Remote Teaching“ bedeutet eben nichts anderes als die Rückkehr zur ursprünglichen Misere.

https://strafrecht-online.org/ts-diekmann