17.10.2004


Die zentrale Terrordatei kommt - Muss die blinde Kuh jetzt sterben?

Der Bundesrat hat am Freitag beschlossen, einen Gesetzentwurf von Niedersachsen in den Bundestag einzubringen. Dessen Ziel ist ein umfassender und schneller Informationsaustausch für eine erfolgreiche Bekämpfung des islamistischen Extremismus und Terrorismus. Kernstück ist dabei die neu zu errichtende Anti-Terror-Datei. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass sich die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, das Bundeskriminalamt, die Landeskriminalämter sowie sonstige Polizeibehörden der Länder, der Bundesgrenzschutz, der Bundesnachrichtendienst, der Militärische Abschirmdienst und das Zollkriminalinstitut verpflichten, ihre bereits erhobenen Daten über Personen und Vorgänge, die im Zusammenhang mit dem islamistischen Extremismus und Terrorismus stehen, in die Anti-Terror-Datei einzustellen und von dort auch abrufen können.

Damit soll das Blinde-Kuh-Spielen ein Ende haben. Es soll sich folgendes Szenario nicht mehr wiederholen. Die bayerische Polizei überwachte über einen längeren Zeitraum intensiv einen islamistischen Gefährder. Über diesen hatte bereits ein norddeutscher Verfassungsschutz umfassende Informationsmaterialen gesammelt, was die bayerische Polizei nicht wusste. Dies wird als ungeheuerlich bezeichnet und die Süddeutsche Zeitung sekundiert mit der Umschreibung, dass sei nun das Resultat der von deutschen Sicherheitsbehörden selbst angelegten Fesseln.

Erschreckend ist, dass kein Aufschrei erfolgt. Es geht nämlich nicht um Blinde Kuh Spielen sondern um den Rechtsstaat. Blinde Kuh - eine interessante Umschreibung für den Rechtsstaat. Warum soll denn zusammenarbeiten, was ganz unterschiedliche Beobachtungsaufträge hat. Hält sich der Verfassungsschutz an sein Aufgabengebiet, so ist er im Vorfeld eines Verdachts tätig. Um da überhaupt an Informationen zu gelangen, hat er Instrumentarien zur Verfügung gestellt bekommen, die nur deshalb legitimierbar waren und sind, weil er keine Zwangsbefugnisse wie die Polizei hat. Der Verfassungsschutz kann nur beoachten, nicht aber Festnehmen etc. Erhält nun aber die Polizei davon auch - quasi zeitgleich - Kenntnis, führt dies faktisch dazu, dass dem Verfassungsschutz gleich die Dienstpistole mit in die Hand gegeben oder aber der Polizei untergliedert werden kann. Doch wie ist dann die verdachtsunabhängien Vorfeldarbei noch legitimierbar? Auch ist eine spannende Frage, mit welchen Informationen die Datei bestückt werden soll. Alles, nur einen Teil oder irgendwie was dazwischen? Und wer hat Zugriff auf die Daten - auch der Verkehrspolizist, bei der Kontrolle von Zufahrtsstraßen im Zuge der Absicherung einer sog. sensiblen Konferenz?
Generell irritiert, wie denn die Polizei, die dem Legalitätsprinzip unterworfen ist, mit den Frühinformationen umgehen will. Das Spannungsfeld ist aufgetan. Der Verfassungsschutz will noch weiter beobachten, die Polizei muss aber (eigentlich) tätig werden, sie muss ermitteln! Oder ist der Grundsatz des Legalitätsprinzips auch schon nicht mehr aktuell und nur als rechtshistorisches Relikt in der StPO enthalten?

Hinter all dem Aktionismus kann Angst vermutet werden. Die Angst davor, was passiert, wenn etwas passiert. Das Land kann nicht umfassend vor Anschlägen geschützet werden, klar. Nur an dieser Tatsache wird auch die Terrordatei nichts ändern. Es scheint, als wollen sich die politisch Verantwortlichen absichern, um im Falle eines Fallen sagen zu können, sie haben alles getan. So etwas kann man Aktionismus nennen. Der hier im speziellen freilich mit der Sahnehaube versehen ist, die Kontrolldichte weiter auszubauen. Kontrolle und Überwachung - eine nur eingeschränkt freiheitliche Gesellschaft. Das Grundgesetz sollte auch mal aktualisiert werden.