27.06.2012


LG Köln beschneidet die Religionsfreiheit

Das LG Köln beurteilt die Beschneidung eines Vierjährigen als rechtswidrig, obwohl die Eltern eingewilligt hatten (Az. 151 Ns 169/11). Der beschneidende Arzt wurde nur wegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen.

Der Tatbestand der §§ 223, 224 I Nr. 2 ist unbestritten erfüllt. Da die Urteilsbegründung noch nicht vorliegt, ist nicht klar, wie das LG zur Rechtswidrigkeit kam. Offensichtlich ist die Einwilligung der Eltern nicht ausreichend gewesen. Diese könnte an zwei Punkten scheitern:

1. Die Eltern müssen als Treuhänder des Kindeswohles in seinem Interesse entscheiden und das LG sieht in der Beschneidung das Kindeswohl verletzt.

2. Die Einwilligung scheitert an der Sittenwidrigkeit nach § 228.

An welchem Punkt das LG auch immer angesetzt haben mag, es muss sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, entweder aus formalistischer Engstirnigkeit die Vorgaben des GG nicht zu erkennen oder aus methodischer Unzulänglichkeit die objektive Wertentscheidung des GG nicht beachten.

Die Entscheidung, was dem Wohl des Kindes dient, obliegt nach Art. 6 II GG den Eltern. Der Staat wacht nur über seine äußerten Grenzen. Dieser Schutzbereich wird vorliegend durch die Religionsfreiheit der Eltern aus Art. 4 GG verstärkt. Ein Eingriff des Staates durch das Strafrecht ist der schärfstmögliche. Er bedürfte einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Natürlich wird die körperliche Integirtät des Kindes verletzt. Aber mag der Eingriff auch nicht reversibel sein, so ist er doch nur ein kleiner Routineeingriff ohne langfristige Nachteile für das Kind.

Andererseits ist er zwingend notwendig für die Aufnahme in die Religionsgemeinschaft. Dies mag vielen sekulären Rationalisten als Grund nicht genügen, aber gerade rational nicht zwingend nachvollziehbare, aber moralisch als zwingend empfundene Gründe soll die Religionsfreiheit schützen. Ein Abwarten bis zur Einwilligungsmündigkeit des Kindes erscheint möglich, verkennt aber, dass auf diese Weise der Staat in die Religionsausübung der Religionsorganistionen massiv eingreift, die selbst von der kollektiven Relogionsfreiheit geschützt sind. Hier ist der Staat zur Neutralität verpflichtet.

Was wäre eigentlich die Konsequenz eines solchen Urteils? Weitere Ärzte dürften sich nachfolgend nur noch schwer auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen dürfen. Die Eltern wären wegen Anstiftung strafbar. Rabbiner, die aus ihrer religiösen Überzeugung Eltern empfehlen, ihr Kind beschneiden zu lassen, dürften bald Besuch vom Staatsanwalt bekommen wegen Anstiftung zur Körperverletzung, oder sich nach § 111 strafbar machen, wenn er dies in seiner Predigt sagt.

Und wenn wir nun davon ausgehen müssen, dass die Beschneidung das Kindeswohl gefährdet, müssen nach § 1666 I BGB geeignete Maßnamen ergriffen werden. Da die meisten Eltern aufgrund ihrer jüdischen oder muslimischen Überzeugung ihr Kind auf jeden Fall beschneiden lassen wollen und im Zweifel zu diesem Zweck nach Israel oder in die Türkei fliegen würden, bleiben als geeignete Maßnahme, letztendlich nur die elterliche Sorge zu entziehen, oder ein Entzug des Umgangsrechts, § 1666 III Nr. 4, 6 BGB.

Verlieren also Eltern in Deutschland ihr Sorgerecht, weil sie ihren jüdischen Glauben praktizieren wollen, und werden Rabbiner verhaftet, weil sie in Predigten die Tora traditionell auslegen und empfehlen, nach diesen Grundsätzen zu leben?

Das BVerfG wird sich mit dieser Frage sicher beschäftigen. Sein zu erwartendes Ergebnis hätte auch für das LG Köln offensichtlich sein müssen.