08.07.2003


Wer will alles Spitzel werden?

So oder ähnlich könnten demnächst Zeitungsinserate lauten, in denen die Landes-Innenministerien nach nebenberuflichen Spitzeln suchen. Welche Anforderungen gestellt werden? Du musst aus beruflichen Gründen in die Wohnungen Deiner Kunden. Idealerweise bist Du also Handwerker, Schornsteinfeger, Briefträger usw. Und was ist Dein Tätigkeitsgebiet? Helfen beim großen Lauschangriff. Du kannst Dir die Wohnung Deines Kunden genau ansehen und so der Polizei bei Ihrem Kampf gegen das ganz Böse helfen. Vergütung? Na, wenn das mal keine Ehrensache ist, dem Staat helfen zu dürfen. Grund für dieses neue Berufsfeld? Es ist bisher "sehr", ach was: "zu" aufwendig, eine Wohnraumüberwachung zu installieren. Vorermittlungen, Legendenbildung und der ganz Kram. Hinderlich, einfach nur hinderlich ... im Kampf gegen die ganz große Kriminalität, wie zum Beispiel schwerer Raub oder Erpressung. Das sind nämlich Katalogtaten des § 100 c StPO, der den großen Lauschangriff = akustische Wohnraumüberwachung beinhaltet.

Liebe Leserinnen und Leser dieser Zeilen, dies ist leider kein Witz. Eine entsprechende Initiative geht von der Landesinnenminsterkonferenz aus. Nach Befürwortung einer Mehrheit der Bundesländer für eine solches Vorgehen liegt der Kram jetzt beim Bundesjustizminsterium. Und hier nun endlich kommen die Bedenken hörbar auf den Tisch: So werden die verfassungsrechliche Zulässigkeit und Notwendigkeit solcher Einsätze hinterfragt.

Sehr geehrte Entscheidungsträger - die Sie doch Ihr Amt (mittelbar) vom Volk ableiten und zu dessen Wohl Sie sich verpflichtet fühlen sollten - , sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen? Was wollen Sie aus unserer Zivilgesellschaft machen? Dass einer den anderen nicht mehr traut? Das jeder Handwerkerbesuch zu einem Event der besonderen Art wird? Also lassen Sie bitte die Kirche im Dorf und ziehen Sie Ihr Projekt zurück. Bitte, denn so toll hat sich das Volk in der DDR auch nicht gefühlt - trotz Überwachung!

Nachtrag: Alle Achtung, Frau Bundesjustiziministerin, das war tatsächlich eine Pressemitteilung wert. Wer hätte das gedacht: Bürgerinnen und Bürger müssen beim Lauschen nicht helfen. Toll. Wir bitten um weitere klarstellende Pressemitteilungen, beispielsweise: Die Todesstrafe kommt nun echt nicht in Betracht, weil das Grundgesetz dem entgegen stehe. Oder so.