07.05.2021


Das Unternehmen Uni ist gescheitert

Wer hier aus welchem Grund gescheitert ist, erläutert ein Beitrag von Sonja Buckel in der Wochenzeitung „der Freitag“. Vielleicht die Universität infolge von Corona? Hier kann die Autorin erst einmal Entwarnung geben: Während der Pandemie hat die Publikationstätigkeit der Professoren sogar zugenommen. Das ist doch einmal ein Lichtblick in diesen dunklen Zeiten.

Nun ja, der Output der Frauen in der Wissenschaft nahm leider signifikant ab. Und auch die Kluft zwischen Studierenden aus Arbeiter*innen- und jenen aus Akademiker*innenfamilien weitete sich aus. Kollateralschäden eben.

Aber gab es neben der Forschung nicht gleich noch etwas anderes, was eine Universität auszeichnete? Buckel charakterisiert dies ganz klassisch und ein wenig pathetisch mit der universitas, der Gesamtheit der Wissenschaften, der Lehrenden und der Lehrenden, worüber affektive und kreative Prozesse ermöglicht würden. Die geräuschlos funktionierende Universität in der Pandemie mache deren Verschwinden erst so richtig greifbar.

Greifbar vielleicht, diese Gemeinschaft zerstört wurde aber schon lange davor, worauf Buckel zutreffend hinweist. Zielvereinbarungen, Exzellenzinitiativen, Drittmitteldruck, Peer-Review und prekäre Arbeitsverträge hatten die Hochschulen bereits vor Corona zu einem wettbewerbsorientierten Unternehmen getrimmt. Vollkommen konsequent heuerte die Universität Frankfurt eine Unternehmensberatung an, das Institute for Law and Finance avancierte zu deren Leuchtturm, von dem sich gerne auch ehemals linke Denkfabriken anstrahlen ließen.

Die Studierenden haben diesen Shift nur in dem Sinne mitgemacht, dass sie die Universität als effizienten Durchlauferhitzer persönlicher Karrieren akzeptieren. Sie sehen in ihr nicht mehr den Kristallisationspunkt geistiger Auseinandersetzungen oder gar des Protests. Diese existieren durchaus nach wie vor, aber eben an anderen Orten.

Insoweit ist der derzeitige Kampf, die Studierenden im digitalen Unterricht aus ihrer Unsichtbarkeit zu holen, geradezu naiv. Sie haben sich schön längst davor geistig verabschiedet und haben natürlich keinerlei Anlass, sich während der Universität im Notbetrieb plötzlich wieder zu engagieren.

https://strafrecht-online.org/nl-2020-06-26 [S. 5]

Und danach? Kommt es zu einer Radikalisierung der unternehmerischen Hochschule durch die Ablösung der Präsenzuniversität, vermittelt über Sparprogramme und eine Inwertsetzung der digitalen Lehre? Oder aber beginnt eine neue Reformphase, angetrieben von der Erfahrung des radikalen Verlusts?

Sonja Buckel scheint zu träumen und hierüber sogar den Beginn ihres Beitrags zu vergessen: Die Wissenschaft ihrer männlichen Kollegen hat einen Schub erhalten. Und die Studierenden haben die Idee der universitas noch nie erlebt. Kein Grund, das Unternehmen Universität mit all seiner Effizienz weiterbrausen zu lassen, ein paar Blendgranaten werden im Etat allemal drin sein.

https://strafrecht-online.org/freitag-unternehmen