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Auf der richtigen Seite stehen
Der Ukrainekrieg und der verbrämend häufig so titulierte Nahostkonflikt fordern buchstäblich, dass aus allen Rohren geschossen wird. Während der in der Beliebtheit der Wählerinnen und Wähler ganz oben rangierende Boris Pistorius von Kriegstüchtigkeit oder Kriegsertüchtigung schwafelt und sich um die zugesagte Million an Artilleriegeschossen für die Ukraine kümmern will, führen Justiz und Innenministerium sogar die letzte Patrone ins Feld: Das Strafrecht wird kriegstauglich gemacht.
Werfen wir einmal einen Blick auf die Straftatbestände, die im Hinblick auf den Nahostkrieg in Stellung gebracht worden sind, ach, es klappt so vortrefflich mit den martialischen, kriegerischen Ausdrücken:
So könnte es um den Straftatbestand der Belohnung und Billigung von Straftaten gehen (§ 140 StGB), wenn die Terrortaten der Hamas gutgeheißen werden. Vielleicht ließe sich auch über den Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB) nachdenken. Nach § 104 StGB wiederum ist die Verletzung von Flaggen ausländischer Staaten strafbar. Und § 111 StGB wäre einschlägig, sofern öffentlich zu Straftaten aufgefordert würde.
Schließlich bietet § 86a StGB („Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“) zahllose Möglichkeiten einer Kriminalisierung, nachdem Innenministerin Nancy Faeser ein Vereinsverbot gegen die Hamas und das Netzwerk Samidoun verhängt hatte und im Zuge dessen eine lange Liste von somit verbotenen Kennzeichen entstanden war. Auch die Parole „Vom Fluss bis zum Meer“ ist auf ihr vermerkt.
https://strafrecht-online.org/verbot-hamas
Und wem das noch nicht genug ist: Die Leugnung des Existenzrechts Israels solle explizit unter Strafe gestellt werden, fordern CDU und CSU.
https://www.lto.de/persistent/a_id/52986/
Vergewissern wir uns noch einmal kurz in zwei grundlegenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, wofür das Strafrecht da sein soll: Nach der Inzest-Entscheidung von 2008 (BVerfGE 120, 224 [239 f.]) wird „das Strafrecht […] als ‚ultima ratio‘ des Rechtsgüterschutzes eingesetzt, wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist.“ Und die Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch führt bereits 1975 den Gedanken der „Ultima Ratio“ im Kontext des Verhältnismäßigkeitsprinzips an (BVerfGE 39, 1 [47]).
Worum geht es also bei den erwähnten Möglichkeiten einer Kriminalisierung?
Bei § 140 StGB und bei § 130 StGB soll jeweils der öffentlichen Frieden als geschütztes Rechtsgut in Rede stehen. Bei § 104 StGB wiederum werden die Ehre ausländischer Staaten, aber auch die diplomatischen Beziehungen Deutschlands zu diesen Staaten genannt. Soweit § 86a StGB wie vorliegend an eine Verbotsentscheidung anknüpft, spricht man teilweise ganz ungeniert von einem Ungehorsamsdelikt.
Das sind allesamt auch deshalb keine wahnsinnig beeindruckenden Rechtsgüter, weil bei den Friedensschutzdelikten in der Sichtweise des BVerfG der Frieden lediglich „Wertungsklausel“ zur Ausscheidung nicht strafwürdig erscheinender Fälle ist, er mit anderen Worten überhaupt nicht tangiert zu sein braucht. Dass es beim Verbrennen einer Flagge um die Ehre ausländischer Staaten und nicht um eine kritische Meinungsäußerung geht und was das mit dem deutschen Strafgesetzbuch zu tun hat, das gerade keinen Strafrechtsimperialismus betreiben sollte, wäre des Weiteren zu hinterfragen. Schließlich erinnert der Gehorsam eher an den Gesslerhut als an ein Rechtsgut.
https://www.lto.de/persistent/a_id/52929/
Dieses Zwischenergebnis wäre spätestens bei der Normanwendung auch deshalb zu berücksichtigen, weil die potenziell strafbaren Handlungen mit den fundamentalen Grundrechten der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit in ein strafrechtsreduzierendes Verhältnis zu setzen sind.
Wer hier einer kompromisslosen Kriminalisierung das Wort redet, steht im dringenden Verdacht, das Strafrecht entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eben nicht als Ultima Ratio zum Rechtsgüterschutz einzusetzen, sondern als wohlfeiles Mittel, um die Solidarität mit Israel zum Ausdruck zu bringen und die Gesellschaft aufzufordern, sich mit Kritik zurückzuhalten. Auf der richtigen Seite stehen.
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