Der Artikel
Ms. Hoven is not amused
Und wir fragen uns eine wenig verwundert: Warum denn nicht? So hat sie vor einigen Monaten, teils in Co-Autorenschaft mit Frauke Rostalski, über diverse Medien von FAZ bis Sat.1 das justizielle Strafzumessungsverhalten bei Sexualdelinquenz als zu milde kritisiert und sich insoweit auch auf die Straferwartung der Bevölkerung berufen. Hierauf hat sie nach eigener Darstellung überwältigende Zustimmung aus der Justiz und von Betroffenen erhalten. Läuft doch.
Wo also liegt das Problem? Es liegt schlicht darin, dass es einer Elisa Hoven offensichtlich nicht reicht, vom Boulevard Zustimmung zu bekommen, auch wenn sie ihn zuvörderst adressierte. Sie will auch von der Wissenschaft für ihr hehres Anliegen die ihr nach Selbsteinschätzung gebührende Anerkennung erfahren.
Mit Thomas Weigend hat sie insoweit auch bereits einen namhaften Wissenschaftler an ihre Seite gezogen, mag die Empirie auch nicht zu seinem Schwerpunkt gehören (vgl. Ehlen/Hoven/Weigend KriPoZ 2024, 16 ff.). Aber was erlaubt sich Ralf Kölbel? Er kritisiert die nicht eingehaltenen Standards der empirischen Sozialforschung, obwohl diese doch für den Befund nicht ausschlaggebend gewesen seien. Und Jessica Krüger (Wer ist sie überhaupt?) bläst mit ihrer erheblichen Methodenkritik in dasselbe Horn.
Kölbel in https://www.lto.de/persistent/a_id/54212
Kölbel/Linder StV 2024, 322 ff.
Krüger KriPoZ 2024, 122 ff.
Womit wir beim Problem aus unserer Sicht wären: Wenn man die Kriminologie nicht ernst nimmt und den Befund ohnehin schon kennt, sollte man die empirische Sozialforschung nicht für eigene Zwecke funktionalisieren und dabei wissenschaftliche Standards ignorieren. Wenn die Sichtweise der Verf. vom „typischen Unrechtsgewicht“ einer Sexualtat nicht im Gesetzeswortlaut ihren Niederschlag gefunden hat, sollte man nicht die insoweit systemkonforme Strafzumessungspraxis kritisieren. Ein wenig erinnert dieses Vorgehen an Pippi Langstrumpf, die sich die Welt so macht, wie sie ihr gefällt. Und wenn man darüber räsoniert, wie ein gerechtes Strafurteil auszusehen hat, nämlich nicht notwendig milde, sollte man sich Rechenschaft darüber ablegen, welche Strafzwecke man aus der Verfassung abzuleiten meint. So schimmern in der Begrifflichkeit „gerecht“ absolute und tendenziell repressive Straftheorien durch, möglicherweise angereichert mit in dieselbe Richtung weisenden Genugtuungsinteressen der Opfer.
Hätte sich Elisa Hoven auf mit dem GG allein in Einklang zu bringende relative Straftheorien zurückgezogen, so hätte sie sogar auf einen weitgehend gesicherten empirischen Erkenntnisstand zurückgreifen können, ohne in ihrem unerschütterlichen Selbstbewusstsein gleich die nächste empirische Untersuchung angehen zu müssen. Alle relativen Strafzwecke, von der Abschreckung über die positive Generalprävention bis hin zur Resozialisierung, versagen, nur eines funktioniert ohne jeden Zweifel: das Bewirken von Leid durch die Strafen. Und hierüber sollte man nicht ins Grübeln geraten, wenn man nach härteren Strafen im Namen des Volkes ruft?
Elisa Hoven jedenfalls nicht. Sie hat noch einmal im wissenschaftlichen Fachmagazin „Legal Tribune Online“ („Düsteres Trauerspiel um Mops Edda“) nachgelegt, den Vorwurf des Populismus brüsk zurückgewiesen und zur Sicherheit mit der Strafmündigkeitsgrenze noch ein wenig gezündelt, um die Aufmerksamkeitsschwelle hochzuhalten.
Hoven in https://www.lto.de/persistent/a_id/55153
Schon in der letzten Ausgabe unseres Newsletters war der Kriminologe Sebastian Scheerer mit seinem politisch-publizistischen Verstärkerkreislauf zur Sprache gekommen. Und wir haben mit dem Populismus ein drittes P hinzugefügt. Elisa Hoven hat bei allen Ps ihre Hände mit im Spiel. Möge ihr Vorhaben misslingen.
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