09.12.2024


Koalitionstracker kollabiert

Bei FragDenStaat werden der Ampelkoalition doch ein wenig überraschend an diesem Freitag noch 303 Tage zugebilligt. Satte 24 % der Vorhaben sollen bereits umgesetzt sein, 49 % wurden begonnen oder teilweise umgesetzt. Im Bereich der Justiz blieben allerdings leider gleich 36 % völlig in der Kiste.

https://fragdenstaat.de/koalitionstracker/

Zum Vergleich: Der SZ-Koalitionstracker scheint etwas generalisierender vorzugehen und weist lediglich 142 Versprechen im Vergleich zu 271 bei FragDenStaat aus, von denen 30 % umgesetzt worden sein sollen.

https://strafrecht-online.org/sz-koalitionstracker

Das Dumme nur: Allen Beschwörungen zum Trotz steht das Rad der Möglichkeiten nunmehr endgültig still. Anders als bei unserer stets mit großer Ernsthaftigkeit betriebenen persönlichen Jahresend-Rallye (Das wollen wir echt dieses Jahr noch schaffen!) besteht nicht einmal die theoretische Aussicht darauf, dass sich das Rad ohne parlamentarische Mehrheit der Resterampe noch einmal bewegt. Die einzige Aufgabe der Geschassten wie der Opposition bleibt, sich durch die Blockadehaltung nicht den Wahlkampf zu versauen, also etwa das Deutschlandticket noch gnädig durchzuwinken. Aber das Gros der Gesetzesvorhaben kann locker mit dem Hinweis zum Erliegen gebracht werden, es gehe schon irgendwie weiter und werde dann durch die neue Regierung umgehend zum Besseren hin aufgegriffen.

Karl Lauterbach hat nun natürlich einen anderen Blickwinkel als Nancy Faeser oder Hubertus Heil auf das, was am Ende übrigblieb. Und wir persönlich sind ganz zufrieden, dass die Reform des Bürgergelds ebenso wie das Sicherheitspaket erst einmal auf der Strecke bleiben, mag es im nächsten Jahr auch nur noch schlimmer kommen.

Aber wie steht es denn mit dem Strafrecht als Ultima Ratio, der evidenzbasierten Kriminalpolitik und dem Fokus auf historisch überholte Straftatbestände, denen es an den Kragen gehen sollte (S. 84 des Koalitionsvertrages)? Da scheinen wir dann doch in der Kategorie des Koalitionstrackers „Weitgehend aus dem Auge verloren“ angelangt zu sein. Wir konstatieren die Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe, die ganz zu Recht als halbe Sache gekennzeichnet worden ist. Und beim Fahren ohne Fahrschein kam nicht einmal die zuletzt favorisierte halbe Sache einer Ordnungswidrigkeit heraus.

Was die Teillegalisierung von Cannabis anbelangt, hat man bislang auch lediglich die Säule des privaten sowie gemeinschaftlichen (nicht-kommerziellen) Eigenanbaus angepackt, nicht aber die zweite Säule der Einrichtung kommerzieller Lieferketten. Und so wird der Dealer von nebenan auch weiterhin seine dominante Bedeutung behalten, weil sich Deutschland nicht zu einem Land der Kleingärtner entwickeln wird. Geht es nach der CDU/CSU – nach derzeitigem Stand keine Utopie mehr –, steht eh die innere Sicherheit und dann auch bald die Cannabis-Teillegalisierung auf dem Spiel.

https://strafrecht-online.org/bt-cannabis-aktuell

Viel mehr war leider nicht drin, außer vielleicht noch der Streichung von § 219a StGB (Werbung für den Schwangerschaftsabbruch) oder der Beseitigung des gravierenden und erst 2021 produzierten Mangels bei § 184b StGB (Verbrechenscharakter des Verbreitens, Erwerbs und Besitzes kinderpornographischer Inhalte).

Einmal mehr galt der Fokus der Bekämpfung ausgemachter Feinde. Und wenn man schon im Kampfmodus ist, sollte man eben auch seine schärfste Waffe und damit das Strafrecht einsetzen. Und wer oder was wurde so bekämpft? Wir beschränken uns auf ein paar Beispiele, die Wörter „Kampf“ bzw. Bekämpfen kommen im Koalitionsvertrag satte 88 Mal vor. Fairerweise müssen wir allerdings erwähnen, dass auch die Bekämpfung der Kinderarmut und der Fluchtursachen Erwähnung findet, ohne dass wir hier allerdings Erfolge ausgemacht hätten.

Und wie steht es um derartige Erfolge beim Kampf gegen die wahren Feinde, die OK, die Clankriminalität und die Geldwäsche zum Beispiel? Lassen Sie uns mit Günter Schabowski antworten: „Nach meiner Kenntnis … müsste das ab sofort, unverzüglich“ erledigt worden sein.

Nichts anderes haben wir erwartet. Ein voller Erfolg.


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