18.11.2025


Wie leere Hörsäle wieder gefüllt werden können

Nicht nur RH scheint es mit schmerzerfüllter Miene umzutreiben, dass die guten alten Zeiten aus allen Nähten platzender Hörsäle ein für alle Mal vorbei zu sein scheinen. Wirklich ein für alle Mal? Tim Engartner und Julia Reuter von der Universität zu Köln haben da eine Idee!

Zunächst einmal geht es in ihrem FAZ-Beitrag ganz klassisch los: Steigende Lebenshaltungskosten machten es für die Studierenden schwer, an Veranstaltungen teilzunehmen, sie müssten jobben und von der elterlichen Wohnung pendeln, um Geld zu sparen. Die Geringschätzung der Lehre durch die Studierenden führe wiederum dazu, dass sich die Lehrenden weniger intensiv in die Lehre einbrächten und eher auf die für die Karriere maßgebliche Forschung setzten.

So weit, so bedauerlich. Noch bedauerlicher wird es dann aber, wenn Engartner und Reuter mit ihrer Idee rausrücken. Es fehle an einer Wertschätzung gegenüber der Hochschule als Lernort sowie der Lehre allgemein. Die Hochschule sei als Resonanzraum ernst zu nehmen. Sie sei der Kristallisationspunkt für Kommunikation und gemeinsame Diskussion. Das Lehrangebot sei als Privileg zu verstehen.

Und jetzt kommt es in einer geradezu brillanten Formulierung: „Der Präsenzkultur [sei] auch über die Studien- und Prüfungsordnungen zu einer Renaissance zu verhelfen.“ Oder etwas platter ausgedrückt: Die dummen Studierenden seien über eine Anwesenheitspflicht zu ihrem Glück zu zwingen. Damit würde gleichzeitig auch die Zahl der Studienabbrecher:innen signifikant gesenkt. Und so werde aus der Anwesenheitspflicht auch ein Anwesenheitsvergnügen.

Da sind wir uns auch ganz sicher, denn so ein voller Hörsaal macht doch immer Freude. Und wenn man hinreichend abgebrüht ist, wie die meisten Professor:innen, stört es sie nicht groß, dass die Studierenden nicht etwa da sind, um von den Errungenschaften einer zeitgemäßen und die Lehr- und Lernforschung beachtenden Veranstaltung zu profitieren, sondern weil sie schlicht mit Daumenschrauben hierzu gezwungen werden.

Denn die Pflicht führt natürlich nicht im Geringsten dazu, dass Lehrangebote verbessert und genau darauf getrimmt werden, was eine gute Präsenzveranstaltung ausmacht. Vielmehr ist sogar umgekehrt zu befürchten, dass jede Bereitschaft erlahmt, die Vorlesung auf das umzustellen, was heute in Präsenz gefragt ist, und das auszusondern, was man sich anderweitig besser aneignen kann. Die Studierenden sind ja da, sie schweigen eben nur, weil sie es hassen, nicht für voll genommen zu werden.

Auch wenn Engartner und Reuter nur einen besonders antiquierten, abwegigen und drastischen Vorstoß wagen: Eine Anwesenheitspflicht light ist schon heute weit verbreitet. Und sie funktioniert so: Präsentiere abseitiges Sonderwissen ohne jedes Begleitmaterial und generiere den Prüfungsstoff hieraus. – Das macht es für die Studierenden durchaus nicht ganz so leicht, den Vorlesungen fernzubleiben. Läuft.

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