11.02.2025


Der will doch nur spielen

Gegen den AfD-Parteitag in Riesa im Januar demonstrierten mehr als 10.000 Menschen. Den Demonstrierenden gelang es, wichtige Zufahrtsstraßen zu blockieren und den Start des Parteitages so um mehrere Stunden zu verzögern. Gegen diese „Geiselhaft“ der Stadt Riesa waren mehrere tausend Polizist:innen im Großaufmarsch im Einsatz.

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Neben Nachrichten über die aufgeheizte Stimmung vor Ort, verletzte Demonstrierende und Polizeibeamt:innen sowie den Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken kursiert ein Video im Internet: Es zeigt, wie ein Polizeibeamter am Halsband seines Polizeihundes zerrt und ihn mehrfach gegen eine Leitplanke in Richtung eines Demonstranten drückt. Im Hintergrund verbeißt sich ein weiterer Hund im Ärmel eines Polizeibeamten. Das Video sorgte für Empörung und veranlasste u.a. PETA, eine Strafanzeige gegen den Polizeibeamten zu erstatten.

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Ein namentlich nicht bekannter Diensthundeführer äußerte sich dem MDR gegenüber zu dem Vorfall. Neben der fehlenden Fähigkeit, den Hund richtig zu führen, vermutete er eine schlechte oder gar fehlende Ausbildung des Hundes.

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Als „treue Begleiter, unerschrockene Helfer und wahre Supernasen“ unterstützen mehr als 2.500 Diensthunde die Bundes- und Landespolizei bei ihrer täglichen Arbeit. Ausgebildet werden dafür zwei Arten von Diensthunden: Schutzhunde und Spürhunde.

Hank, der USB-Sticks, Festplatten und SIM-Karten erschnüffelt, sowie Bonny, die als Wassersuchhund verunglückte Menschen in Wassertiefen von 30 bis 40 Metern ausfindig macht – dies sind zwei eindrucksvolle Beispiele für die unvergleichlichen Fähigkeiten von Polizeihunden in vielfach existenziellen Einsatzszenarien, die weit über die Möglichkeiten technischer Hilfsmittel hinauszugehen.

https://polizei.nrw/vier-pfoten-im-einsatz

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Daneben wird der Einsatz von Polizeihunden insbesondere bei Demonstrationen faktisch dazu genutzt, eine Atmosphäre der Einschüchterung zu schaffen. In solchen Fällen wird sich nicht seines tierischen Scharfsinns bedient, sondern seine bloße Präsenz gezielt eingesetzt, um Respekt und Furcht hervorzurufen. Der Hund verliert dadurch seine Rolle als unersetzlicher Helfer und wird vielmehr zum häufig unverhältnismäßigen Werkzeug der Angst. Diese führt jedoch regelmäßig zur Eskalation einer Situation und untergräbt das Vertrauen in die Polizei. Eine solche Instrumentalisierung für Zwecke der hoheitlichen Machtdemonstration findet sich im Übrigen auch beim Einsatz von Polizeipferden, der eine lange, unheilvolle Geschichte hat. Die polizeiliche Verwendung von Tieren sollte daher auf Situationen beschränkt werden, in denen deren Fähigkeiten die Möglichkeiten von Mensch und Technik übersteigen.

Der Vorfall in Riesa ist kein Einzelfall. Immer wieder lassen Nachrichten über gestresste oder gar verletzte Polizeihunde Tierfreunde aufhorchen. Die Worte „Mach druff jetzt auf das Vieh“, die aus jenem Video stammen, in dem ein sächsische Polizistin auf einen Polizeihund einschlägt, hallen weiterhin nach.

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Gleichzeitig häufen sich Artikel mit dem Titel „Polizeihund beißt ...“, die immer wieder über Vorfälle berichten, bei denen Polizeihunde durch Bisse oder aggressives Verhalten in den Fokus geraten. In der Regel folgt auf diese Vorfälle eine standardisierte Reaktion. Entweder wird der betroffene Hund aus dem Dienst genommen, was mit der Annahme einhergeht, dass er nicht mehr den Anforderungen der Polizeiarbeit entspricht, oder aber er bleibt weiterhin im Dienst, etwa wenn er einen „Wesenstest“ bestanden hat, der ihn als noch diensttauglich und in seiner Aggressionskontrolle als ausreichend zuverlässig bewertet. Eine solch standardisierte Reaktion auf sowie Prävention von Gewalt durch Polizeihunde ist bei Gewalt gegen Polizeihunde ebenso wünschenswert.

Darüber hinaus steht noch immer eine endgültige Entscheidung über die eigentlich schon seit Jahren klar beantwortete Frage nach dem Einsatz von sog. Stachelhalsbändern bei Diensthunden aus. Er war zuletzt bei der Ausbildung, Erziehung oder beim Training von Hunden durch den 2022 in Kraft getretenen § 2 Abs. 5 TierSchHuV verboten worden. Nachdem diverse Länder darüber klagten, einen Teil der Diensthunde nun nicht mehr einsetzen zu können, stellte das Land Brandenburg im Mai 2024 einen Verordnungsantrag mit dem Ziel, Stachelhalsbänder oder andere schmerzhafte Mittel bei bereits ausgebildeten Diensthunden verwenden zu dürfen, sofern mildere Mittel nicht zielführend seien.

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Über den Antrag wurde bis heute nicht entschieden. Dabei sollte die Antwort klar sein. Bereits in einem Urteil aus dem Jahr 1985 hatte das OLG Hamm eine erhebliche Schmerzverursachung durch den Einsatz eines solchen Halsbandes festgestellt. Vor solchen wiederum schützt § 3 Nr. 5 TierSchG Tiere aller Art, auch Diensthunde. Ein erneutes Zulassen solcher Praktiken würde das Vertrauen in den staatlichen Tierschutz nachhaltig erschüttern. Sie sind daher weiterhin strikt zu untersagen.

Die Polizei NRW etwa kommt laut eigenen Aussagen seit Jahren ohne den Einsatz solcher Halsbänder aus. Dass Hunde in Brandenburg im Gegensatz zu ihren nordrhein-westfälischen Artgenossen mit den gängigen Methoden der Hundehaltung nicht zu bändigen sind, erscheint abwegig.

Letztlich bleibt es dabei: Es ist nicht der Hund, der in besonderem Maße der Disziplinierung durch schmerzhafte Mittel bedarf, es ist der Mensch, dessen Erziehungsmethoden das Verhalten des Tieres maßgeblich prägen und der an seinem eigenen Umgang arbeiten muss, um den Bedürfnissen des Tieres gerecht zu werden.

Ob die Vorfälle in Riesa oder die Brandenburger Diskussion bloße Einzelfälle darstellen oder doch ein tieferliegendes institutionelles Problem aufzeigen: Ereignisse wie diese sollten nicht nur PETA und Martin Rütter in Alarmbereitschaft versetzen. Vielmehr ist es an der Zeit, diese Vorkommnisse als deutlichen Hinweis auf die Notwendigkeit einer grundlegenden Sensibilisierung für das grundgesetzlich verankerte Staatsziel Tierschutz in der polizeilichen Arbeit zu begreifen.

Die Vermeidung des hoheitlichen Einsatzes von Tieren in konfrontativen Situationen würde nicht nur dieses Ziel ganz automatisch befördern, sondern zugleich dazu beitragen, polizeiliche Arbeit nicht als Demonstration von Macht erleben zu müssen.


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