06.03.2025


Lieber Work-Life-Balance als schwere Texte lesen

Ja, eben, werden Sie sagen. Dafür haben wir ChatGPT und genau das ist doch schon in der „Kategorie, die man wohl braucht“ (V.) ausgeführt.

Heike Schmoll von der FAZ nähert sich diesem Thema aber noch wesentlich grundsätzlicher, als dies RH selbst in seinen Träumen vermag. Nicht umsonst hat sie Germanistik und Theologie studiert, ist noch älter und betätigt sich als sog. Bildungskritikerin (auch ein interessantes Wort). Auch theologisch soll sie irgendetwas gebrandmarkt haben, das RH in gleicher Weise nicht versteht, zudem sei die Rechtschreibreform ein Werk des Teufels gewesen.

Heike Schmoll also muss nicht einmal ChatGPT bemühen, um die Studenten (sie ist Trägerin des Deutschen Sprachpreises, also halten wir mal ehrwürdig die Füße still) der Geisteswissenschaften für ihre geradezu selbstzerstörerische Nivellierung des Niveaus zu tadeln. Ein gutes Leben mit auskömmlichem Gehalt und möglichst vielen Freiräumen, auf Neudeutsch „Work-Life-Balance“, sei in sämtlichen Befragungen eines der wichtigsten Ziele der Schulabgänger. Daher seien Betriebswirtschaft, Informatik und Rechtswissenschaft besonders beliebt.

Oh ja, rufen wir aus. Wenn sie denn wüsste, wie im Jurastudium hantiert wird (s. sogleich u. V.), würde erst recht ein Schuh draus.

Heike Schmoll führt für diese Bildungskrise das Fehlen mitreißender Hochschullehrer an. Studenten würden sich mangels Lichtgestalten eher auf die Attraktivität einer Stadt konzentrieren. Und wir ergänzen: Vielleicht ist auch die Bezahlbarkeit des Studiums in einer bestimmten Stadt durchaus ein Argument. Deutschlehrern gelinge es nur noch selten, die Freude an der Literatur und am Lesen zu vermitteln. Kein Wunder, wer nicht einmal die Buddenbrooks oder Faust gelesen habe und Menschen gegenüberstehe, die selbst nicht richtig lesen könnten. Zudem würde der Wert der Geisteswissenschaften allein noch darin gesehen, von Umwelt- und Klimaaktivisten vereinnahmt zu werden.

Offensichtlich gelinge es nicht, das Denken und die Arbeit an Texten als unerlässliche Erkenntnisquellen begreiflich und attraktiv zu machen. Die Figur des öffentlichen Intellektuellen habe an Bedeutung verloren. Die Orientierung an Anwendbarkeit und am wirtschaftlichen Nutzen führe zur bereits oben erwähnten selbstzerstörerischen Nivellierung des Niveaus.

https://strafrecht-online.org/faz-schwere-texte

[kostenfrei über UB]

Hier scheint Heike Schmoll doch einiges in ihrem Feldzug gegen zeitgemäße Lehrinhalte und Kli­ma­aktivisten durcheinandergeraten zu sein. So mag die Beobachtung zutreffen, es mangele an mit­reißenden Hochschullehrenden. Aber ob dies wirklich an fehlendem Wissen über die Buddenbrooks liegt? Die derzeit Schule und Universitäten dominierende Generation Z scheint RH durchaus nicht entscheidend durch das Streben nach wirtschaftlichem Nutzen geprägt zu sein und könnte sich auch deshalb für den Klimaschutz interessieren.

Und vielleicht würde man sie wieder für die Arbeit mit Texten zu begeistern vermögen, wenn sie die Erfahrung machten, dass auch in der Lehre das Niveau über ChatGPT hinausginge. Denn viele Professor:innen müssten sich bei einer genaueren Analyse eingestehen, aufgrund anderer Prioritätensetzung in Richtung sog. Forschung schon längst die Lehre in einem Maße vernachlässigt zu haben, dass ChatGPT in Menschengestalt hierüber nur noch höhnisch lachen würde, wäre er nicht so gut erzogen (s. noch einmal den Beitrag u. V.).