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Nicht lustig?
Deepfakes, also gefälschte Bild-, Video- oder Audioaufnahmen, die mithilfe von KI so überarbeitet wurden, dass sie täuschend echt wirken, sind vielseitig einsetzbar. Sie können einerseits schlicht der Unterhaltung dienen. So entlockten etwa Bilder eines modebewussten Papst Franziskus in der Vergangenheit einigen zumindest ein Schmunzeln.
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Sie können Menschen aber auch traumatisieren und Existenzen zerstören, etwa durch die Erstellung pornografischen Materials von Personen ohne deren Einwilligung. Davon sind häufig in der Öffentlichkeit stehende Frauen betroffen, zuletzt etwa die australische Moderatorin Tiffany Salmond.
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Deepfakes haben die Macht, Getäuschte in den finanziellen Ruin zu treiben, etwa durch Crypto-Scams, bei denen Markus Lanz, Günther Jauch und Co. gegen ihren Willen als Werbegesichter instrumentalisiert werden.
https://strafrecht-online.org/spon-crypto-scams
Gesellschaften sind Risiken der Destabilisierung ausgesetzt. Auch im Wahlkampf haben Deepfakes längst Einzug gehalten. So teilte im vergangenen November SPD-Mitglied Bengt ein Video, in dem Friedrich Merz vorgeblich verkündete: „Meine Damen und Herren, wir verachten Sie! Und wir verachten die Demokratie.“
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Angesichts dieser vielfältigen Missbrauchspotenziale, die die Erheiterung wohl überwiegen, verwundern Forderungen kaum, Deepfakes zu verbieten. So startete Marc-Uwe Kling im Frühjahr eine Petition zum Verbot von Deepfakes von echten Menschen ohne deren Einwilligung und konnte bereits über 340.000 Unterschriften sammeln. Er fordert ein „allgemeines und absolutes“ Verbot, das auch für Satire und andere Kunstformen gelten solle, um einen lückenlosen Schutz zu gewährleisten.
Das vorsätzliche Verbreiten nicht erlaubter Deepfakes soll zudem strafrechtliche Konsequenzen haben. Die Gefahr für die Demokratie durch die bevorstehende Flut von Deepfakes und Falschinformationen, die die Unterscheidung von Wahrheit und Lüge immer schwerer mache, sei so erheblich, dass kein Weg an einem umfassenden Verbot vorbeiführe. Satire sei schließlich auch in der Vergangenheit ohne Deepfakes ausgekommen.
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Wo also ist der Haken? Der Haken liegt in der schlicht unterkomplexen Scheinargumentation, selbst die Satire komme ohne Deepfakes aus. Nur weil es vor der Erfindung der Videokamera schon Schauspiel im Theater gab und man mit der Kamera auch Videos von Personen gegen deren Willen anfertigen kann, ist dies noch kein Grund, der Kunst dieses Medium insgesamt zu verwehren. KI bleibt zunächst einmal nicht mehr als eine Leinwand, um ein Bild dieses Genres ein weiteres Mal zu verwenden.
Die Meinungs- und Kunstfreiheit beinhaltet als essenzielle Grundkomponente, selbst darüber zu befinden, wie man diese Freiheit ausübt. Überdies zeigt etwa das Scholz-Deepfake zum angeblichen AfD-Verbot, dass hiermit nicht zwingend eine zerstörerische Wirkung verbunden sein muss, sondern umgekehrt auch die Gesellschaft zur Diskussion angeregt werden kann.
https://strafrecht-online.org/nl-2023-12-22 [II.]
Welche Möglichkeiten gibt es also, ohne ein absolutes Verbot auszukommen? Die ab dem 2. August in der EU in Kraft tretende Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte scheint nicht ausreichend zu sein. Dafür ist die Macht der manipulierten Bilder zu groß und lässt sich etwa im Bereich der Erstellung pornografischer Deepfakes auch nicht durch den Hinweis „Deepfake“ hinreichend abfedern.
Überdies arbeitet die Kunst häufig ganz bewusst mit verschwimmenden Grenzen zwischen Realität und Fiktion, ganz davon abgesehen, dass sich ohnehin nicht bestimmen lässt, was Realität ist und was nicht. Wie wir wissen, ist dies nicht mehr als ein konstruktiver Prozess. Das Offenlegen, es handele sich um Deepfakes, bleibt damit natürlich ebenfalls ein Eingriff in die Kunstfreiheit.
Außerdem haben selbst offensichtlich KI-generierte Inhalte, wie etwa die emotional inszenierten AFD-Wahlkampfvideos, eine Wirkung auf die Konsumierenden und können diese beeinflussen.
https://strafrecht-online.org/br-afd-wahlkampf
„Das beste Mittel gegen die Beeinflussung des Wahlkampfs durch solche Deepfakes ist wahrscheinlich eine gut informierte Öffentlichkeit“, meint Thorsten Strufe vom Karlsruher Institut für Technologie. Aber die Technologie wird immer besser und wir werden trotz aller Medienkompetenz Fälschungen vermutlich immer schwieriger ermitteln können. Und welche Kraft hat eine gute Information beim Gegenstand selbst? Wie viel Prozent der Bevölkerung werden genau wissen, wie ein Verbotsverfahren bei Parteien wirklich abläuft?
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Könnte man Verbote so zugespitzt formulieren, dass sie nur noch elementare Risiken für elementare Rechtsgüter adressieren? Das ist das gängige Geschäft des Strafrechts und erscheint daher auch in diesem Bereich denkbar. Nur eine derart differenzierende Lösung würde Art. 5 GG gerecht. Wir befinden uns also im Bereich der typischen Abwägung, bei der dem Eingriff in das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hervorgehende allgemeine Persönlichkeitsrecht, konkret das Recht am eigenen Bild, besondere Bedeutung zukommt. Hier werden abhängig von der jeweils betroffenen Sphäre unterschiedlich hohe Anforderungen an die Rechtfertigung gestellt.
Bei pornografischen Deepfakes, wie im Fall Salmond, wird in aller Regel die unantastbare Intimsphäre betroffen sein, sodass zumindest hier eine Strafbarkeit zu befürworten ist. In der politischen Öffentlichkeit stehende Personen wiederum müssen grundsätzlich mehr erdulden, nicht jedes Deepfake von Olaf Scholz kann allein wegen des Eingriffs in sein Recht am eigenen Bild verboten werden. Zudem bestehen Möglichkeiten der Richtigstellung, die Privatpersonen nur begrenzt zur Verfügung stehen.
Schließlich sollte man bei den auf den ersten Blick elementaren Werten einer Gesellschaft vorsichtig sein, ein unnachgiebiges Verbot für alternativlos zu erklären. Man muss nicht einmal die extreme Sichtweise der Toleranz in den USA teilen, sollte aber konstatieren, dass die Demokratie auch im Prozess der Auseinandersetzung mit deren Feinden gestärkt werden kann.
Es führt also kein Weg am vorsichtigen Aussieben vorbei, um Art. 5 GG, dem gesellschaftlichen Diskurs und offensichtlich auch der Unterhaltung des Volkes hinreichend Rechnung zu tragen.
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