Der Artikel
Wider die Ausbildung zum Subsumtionsautomaten
Eigentlich schade, dass Jurastudentin Zora Machura für ihren Gastbeitrag Legal Tribune Online wählte. Er hätte Besseres verdient gehabt als diese Gazette, die mit der Rubrik „LTO-Transfermarkt“ glänzt, bei der eigentlich nur noch das Gehalt bzw. die Gehaltssteigerung nach einem Transfer fehlt. Natürlich gibt es auch die Sparte „Meistgelesen“, bei der es um Busenblitzer, das von einem YouTuber erschlichene Bundesverdienstkreuz von Peter Lustig oder den Kiss-Cam-Eklat geht. Über derartige Themen werden wir bereits zuverlässig von Focus und Bild versorgt. Ab und zu gibt es dann aber auch Seriöses, mag es auch nur ein auf den gehetzten Lesenden gemünzter Teaser für einen Beitrag im Strafverteidiger sein.
Auch die Überlegungen von Machura sind von Ernsthaftigkeit getragen, wenn sie sich die Frage stellt, wie eine kritische Reflexionsfähigkeit bereits im Jurastudium verankert werden könnte. Sie wählt dabei nicht das gängige Schreckgespenst eines eben nicht die Folgen seines Tuns bedenkenden Subsumtionsautomaten, sondern spricht von einem zu verhindernden „bloßen Paragrafenautomaten“ – ist in der Sache nichts anderes.
So möchte sie die Funktionsweise von Recht durchdringen, ohne allerdings das Recht als Herrschaftsinstrument zu desavouieren. Warum eigentlich nicht, fragt sich RH ein wenig kompromissloser. Er hat ja auch nichts mehr zu verlieren. Es bedürfe – so Machura – interaktiver Module, um die Studierenden herauszufordern. Als Beispiele nennt sie Normenwerkstätten und verfassungsrechtliche Planspiele, worüber aktuelle Konflikte neuen Lösungsmodellen zugeführt werden könnten. Interdisziplinäre Lehrveranstaltungen wie die Rechtssoziologie seien in besonderer Weise geeignet, die kritische Reflexion des derzeitigen Rechtszustandes zu befördern.
Wenn Machura sich in diesem Kontext für Law Clinics einsetzt, wird deutlich, dass sie sich doch nur sehr vorsichtig an neue Formate heranwagt. Denn es ist kein Zufall, dass die Rechtsberatung durch Studierende in gleicher Weise wie die Moot Courts geradezu begeistert auch von oben her gefördert werden. Eine Win-win-Situation ganz im Sinne der LTO-Philosophie scheint hier Pate zu stehen. Die Studierenden schnuppern einmal in künftige freilich systemstabilisierende Berufsfelder hinein. Fördernde Kanzleien wiederum werfen ihre Angeln ganz beiläufig aus.
Wenn Machura auf die anstehende Pensionierungswelle als Chance hinweist und zudem die Implementierung kritischer Inhalte in das Curriculum fordert, spricht sie zwei weitere wichtige Protagonisten bei ihrem propagierten Umbau an. Zum einen müssten die Lehrenden bereit sein, mit ihren liebgewonnenen Gewohnheiten ihres guten, alten Vorlesungsskripts zu brechen, was vielleicht bei jungen Lehrenden einfacher erscheint. Sie haben häufig noch keines, vielleicht aber auch das von ihrem Lehrer geerbt oder sich zeitgemäß eines von ChatGPT generieren lassen. Aber sind sie wirklich bereit, diesen unvermeidlichen Mehraufwand im Vergleich zum schlanken Klassik-Modell zu tragen und bei der Zeit für die ach so geliebte Forschung Abstriche hinzunehmen?
Die für Prüfungsinhalte Verantwortlichen wiederum müssten noch weiter springen und ggf. auch bereit sein, sich vom gerade auch Jura nach wie vor beherrschenden Notenfetischismus bereichsweise zu befreien. Denn die Erträge gingen ja häufig von einer Gruppe aus, wie übrigens dann auch im Berufsleben. Diese Einstellung wiederum müsste dann auch die künftigen Arbeitgeber:innen erfassen. Sie würden sich nicht mehr mit einem Prädikat begnügen, sondern ganz andere Skills wie die Kollaborationsfähigkeit zu bewerten haben. Fast fühlt man sich nostalgisch an die Bemühungen über Assessment Center erinnert, für die heute wirklich keine Zeit mehr ist. Und die Studierenden? Nun ja, auch sie müssten sich hinterfragen, wie weit ihre Bereitschaft ginge, sich kritisch mit der Materie zu befassen, die als Motor für künftige Gehälter fungiert. Gegenwärtige Angebote jedenfalls werden nur sehr spärlich genutzt, sind allerdings eben auch nicht Teil des Lehrplans. Muss sich Engagement und Interesse eigentlich immer „auszahlen“?
Beim Surfen nach dem Subsumtionsautomaten ist RH übrigens ein Beitrag just in LTO in die Hände gefallen: „Juristenausbildung: Mehr als nur Subsumtionsautomaten“. Er stammt aus dem Oktober 2011, was damit eines mit Gewissheit zum Ausdruck bringt: Alle drei Protagonisten agieren sehr, sehr träge und zu vererbende Traditionen haben eine große Macht.
Umso wichtiger sind Beiträge wie der von Machura, es geht nur mit Hartnäckigkeit: Weil sich etwas ändern muss. Auch darüber schrieben wir schon.
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