12.03.2025


Angst essen Seele auf

Text-Matching-Software (TMS) hat die Aufgabe, Passagen in Texten zu erkennen, die aus anderen Quellen abgeschrieben sein könnten, ohne den Ursprung zu nennen. Dieser Software gehen Emotionen und Empathie ab, nicht aber den Urheber:innen der Texte. Sie wissen zumindest andeutungsweise darum, dass ein Plagiat guter wissenschaftlicher Praxis widerspricht und für das Studium schwerwiegende Folgen haben kann. Und das Ergebnis einer empirischen Untersuchung lautet: Etwa die Hälfte der Studierenden fürchtet, zu Unrecht beschuldigt zu werden.

Mikkel Willum Johansen, Co-Autor der Studie, beschreibt die Folgen: „Manche Studierende zitieren übermäßig viel aus Angst, mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert zu werden. Andere versuchen, die Software auszutricksen, indem sie sich deren Schwächen zunutze machen.“

Seine Folgerung: „Die Studierenden müssen wissen, wie die Software funktioniert und wie sie eingesetzt wird. Darüber hinaus sollten Lehrende immer klarmachen, was sie bei verschiedenen Arbeitsaufträgen von den Studierenden erwarten. Kommunikation ist das A und O!“

Und seine Befürchtung: „Generative KI wird das Problem verschärfen. Regeln, wie „keine Hilfe von generativer KI erlaubt“, müssen verständlich und durchsetzbar sein. TMS überprüfen den Grad der Textübereinstimmung, KI-Scanner arbeiten viel komplexer. Diese Systeme können nur sagen, ob es wahrscheinlich ist, dass ein Text mit einer KI generiert wurde, aber sie können das nicht mit Sicherheit sagen. Mit dem Aufkommen von KI wird der ganze Sachverhalt noch viel komplizierter und Transparenz wird noch wichtiger.“

https://sz.de/li.3168328

Vergleiche zu den Grundfragen der Kriminologie drängen sich auf: Wie gravierend ist das Ausmaß der Verstöße und wie lassen sie sich erklären? Kommt den Sanktionsmöglichkeiten eine abschreckende Wirkung zu? Wie groß ist schließlich die Macht, einen Verstoß gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis zu konstruieren?

Das Credo Johansens, das Erwartete und die Grenzen des Erlaubten transparent zu kommunizieren, greift zu kurz. Das Risiko wäre hierüber fast vorgezeichnet, eben diese Grenzen ausreizen zu wollen. Die Frage nach dem Warum träte hinter die Frage nach dem Möglichen zurück.

Im letzten Newsletter haben wir einen solchen Begründungsansatz von Heike Schmoll unter der Überschrift < Lieber Work-Life-Balance als schwere Texte lesen > vorgestellt und diskutiert.

https://strafrecht-online.org/nl-2025-01-24 [IV.]

Würde er sich als plausibel erweisen, wäre dies fatal: Das Kreative würde versiegen, das Plagiaten und generativer KI gerade im Ausgangspunkt nicht zu eigen ist. Und das strategische Bemühen, ohne großen Aufwand im Bereich des gerade noch Legalen zu bleiben, würde weiter an Bedeutung gewinnen: Die Seele der Geisteswissenschaften hätte sich in Nichts aufgelöst, um auf die Überschrift zurückzukommen.

Zwei Auswege aus diesem Dilemma erscheinen denkbar: Die KI entwickelt sich mit rasender Geschwindigkeit weiter und krallt sich auch noch die letzten Refugien geistiger Brillanz. Oder den Lehrenden gelingt es im Austausch mit den Studierenden wieder, ein Feuer der Debatten- und Diskussionskultur zu entfachen, das in seinen Auswirkungen im positiven Sinne ganz unabsehbar und eben nicht berechenbar wäre.

PS: „Angst essen Seele auf“, „Angst essen Seele auf“, kommt mir irgendwie bekannt vor. Rainer Werner Fassbinder? Ein Plagiat?