03.06.2025


„Aus dem Mustopf“ oder: „Auf dem falschen Fuß erwischt"

Beim ebenso partei- wie rückgratlosen Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn und seinem für die öffentliche Ordnung zuständigen Kompagnon Stefan Breiter (CDU) muss man eigentlich fortwährend auf alles gefasst sein, was der Akzeptanz des Freiburger Bürgertums dienlich ist. Beim vom Mittelstand und der Gastronomie in typischer FDP-Attitüde vehement geforderten Kampf gegen eine Verpackungssteuer hatte der ins selbe Horn blasende OB ärgerlicherweise gegenüber dem Gemeinderat noch den Kürzeren gezogen.

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Bei der Messerverbotszone am Stühlinger Kirchplatz hingegen werden nun unbarmherzig Nägel mit Köpfen gemacht, und das zur Sicherheit eben ohne diesen Gemeinderat. Ganz so neu ist das alles nicht: Schon im Dezember hatte die Polizei in einer Beschlussvorlage für den Gemeinderat zu einer Prüfung von Videoüberwachung und Messerverbotszone als Bausteine zur nachhaltigen Verbesserung der Sicherheitslage und des Sicherheitsgefühls geraten. Ordnungsbürgermeister Stefan Breiter hatte sich hochgradig begeistert gezeigt, was immer ein Alarmsignal sein sollte.

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Und anlässlich der Vorstellung der Freiburger Kriminalitätsstatistik 2024 am 31. März dieses Jahres äußerte Polizeipräsident Franz Semling hinsichtlich der Messerattacken seine große Sorge. Er habe es doch bereits gesagt: Eine Messerverbotszone müsse her.

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Und welch Wunder: Ein paar Wochen später verkündete Oberbürgermeister Martin Horn die Einrichtung einer solchen.

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Das Kuriose: Die Mitglieder des Gemeinderats zeigten sich bass erstaunt. Sophie Kessl von der PARTEI verwies ein wenig weinerlich darauf, ihr fehle die Expertise und zudem wissen sie nicht so recht, worum es gehe. Könne man sie nicht mal ins Bild setzen? Ihre Kernkompetenz sei der sinnfreie Humor und sonst nichts. Warum um alles in der Welt wurde sie dann aber von radio dreyeckland zu einem Interview gebeten?

https://strafrecht-online.org/rdl-die-partei

Die ganz offensichtlich mit hohem Puls und in großer Hektik verfasste Pressemitteilung der Fraktion „Eine Stadt für alle“ wollte bei diesem Niveau ganz offensichtlich nicht allzu sehr hervorstechen, zeigte sich über die gewählte Vorgehensweise beleidigt („ordre du mufti“ – nicht schon mal davor daran gedacht, dass der OB über die Ausgangsnorm des § 42 Abs. 5 S. 4 WaffG und die hier vorgesehenen Delegationsmöglichkeiten als untere Verwaltungsbehörde und damit als Kreispolizeibehörde tatsächlich durch Rechtsverordnung eine Messerverbotszone umsetzen könnte?) und sprach von einer Symbolpolitik mit stigmatisierendem Charakter und mit einem Pauschalverdacht gegenüber bestimmten Personengruppen.

https://strafrecht-online.org/stadt-fuer-alle-pm

War es aber nicht schon so, dass am sog. gefährlichen Ort des Stühlinger Kirchplatzes über §§ 27 Abs. 1 Nr. 3, 34 Abs. 1 Nr. 4 PolG BW bereits seit Jahren anlasslos kontrolliert werden konnte? Was hat sich insoweit also geändert und woraus speist sich bei aller auch bei uns vorhandenen Bereitschaft für Zuspitzungen der apostrophierte Pauschalverdacht? Gibt es die von uns seit Langem geforderte empirische Untersuchung zu unserer Überraschung nun endlich oder wird ein gemutmaßtes bereichsweise existierendes grundrechtswidriges Vorverständnis der Kontrollierenden kurzerhand in der Pressemitteilung zur Realität erklärt? Wäre es vielleicht trotz der erwähnten, aber leider selbstverschuldeten Mustopfsituation nicht möglich gewesen, einmal kurz innezuhalten und die Kritik präzise zu formulieren?

Nein, keine Zeit. Und so ist die Rede davon, dass sich durch das Einziehen einiger Messer vielleicht kurzfristig das subjektive Sicherheitsgefühl einzelner Anwohner (jetzt ist es bei dieser Eile auch grad egal, dass nur die Männer angesprochen werden) verbessert würde, aber die Bürger dann doch in falscher Sicherheit „gewogen“ (nein, es heißt „gewiegt“, nur das abwegige Argument hat mit fehlendem Gewicht zu tun) würden.

Dann doch leider nicht den Newsletter gelesen, der die wahren Gründe für Unsicherheitsgefühle, nämlich prekäre Lagen, mantraartig benannte. Und wir fragen uns: Falsche Sicherheit, ist es also doch gefährlich?

Neben der auch schon von Sophie Kessl ins Feld geführten leicht daherkommenden Behauptung der Verdrängung kommt es aber noch besser: Als „die eigentlichen Ursachen der Gewaltkriminalität“ werden Armut, Perspektivlosigkeit und problematische Männlichkeitsbilder genannt, die unberührt blieben.

In der Tat: An Armut und Perspektivlosigkeit ändert sich über eine Messerverbotszone nichts, unsere Sichtweise ändert sich aber auch nicht, dass Armut und Perspektivlosigkeit schlicht nichts mit dem Entstehen von Gewaltkriminalität zu tun haben.

Bei derartigen Aussetzern sehen wir großzügig darüber hinweg, dass entgegen der Pressemitteilung die Waffenverbotszone rund um die Eisenbahnstraße in Leipzig nach wie vor existiert.

Der Schwenk in Richtung Wohlfühlpark Stühlinger Kirchplatz darf bei der Fraktion „Eine Stadt für alle“ natürlich nicht fehlen. Wir hätten uns hingegen eine Auseinandersetzung mit dem von uns eingebrachten soziologischen Konzept urbaner Räume als Orte der Kommunikation, der Freiheit, der Entfaltung und der Konfliktaustragung gewünscht, statt über alles diese realitätsferne Vanillesoße zu gießen. Die erhoffte Homogenität wird sich auch und insbesondere an diesem Ort nicht herstellen lassen. Wir wollen sie auch gar nicht.

Chance vertan, auf dem falschen Fuß erwischt. Und die Karawane zieht weiter.