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Der strafrechtliche Umgang mit der Letzten Generation
Nachdem wir uns in diesem Wintersemester bereits mit dem Konstrukt der Clankriminalität und der Kriminalisierung der Pressearbeit am Beispiel von Radio Dreyeckland beschäftigt hatten, ging es in der dritten Veranstaltung um den strafrechtlichen Umgang mit der Letzten Generation.
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Die häufig so bezeichnete Aktivistin Zoë Ruge und die Freiburger Strafverteidigerin Christina Gröbmayr konzentrierten sich in ihrem Vortrag weniger auf die Ziele der Letzten Generation als vielmehr darauf, wie der Staat hierauf reagiert. Allerdings gelang es Zoë Ruge zu Beginn sehr treffend, die Blockadeaktionen als einen Moment des Innehaltens zu beschreiben, gleichsam des Luftanhaltens, in dem sich jede und jeder einmal kurz Gedanken machen kann, was hier gerade passiert.
Wenn auch jüngst wieder in der Badischen Zeitung behauptet wurde, die Letzte Generation habe nichts „bewirkt“, so zeigt dies nur das erbärmliche Niveau dieser Gazette, die sich mit einem unterkomplexen binären Denken zufriedengibt.
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Dabei geht die Einstellung der Gruppe dahin, sich mit den staatlichen Konsequenzen abzufinden, allerdings insoweit mit aller Macht auf die Einhaltung von Recht und Gesetz hinzuwirken. Diese staatlichen Konsequenzen sind durchaus ebenso beachtlich wie penetrant. Nicht nur die Justiz spult humorlos ihr Programm der Nötigung und der Zweite-Reihe-Rechtsprechung ab, bei dem das Vorliegen von Gewalt zweifelsfrei sei, auch Polizei und Verfassungsschutz zermürben die Aktivist:innen. Hinzu kommen Bedrohungsszenarien einer kriminellen Vereinigung, die zwar einfach nur abwegig sind, aber doch wirken. Die Politik der kleinen Nadelstiche, die wir aus der Bekämpfung der sog. Clankriminalität kennen, würde insoweit als Umschreibung gut passen. Zoë Ruge sprach von einer Smart Repression, die auf eine eher subkutane Wirkung angelegt ist.
Genau das waren die eindringlichen Momente der Veranstaltung, die zeigten, dass der Staat die Zügel nach wie vor in der Hand hat und es eben trotz der existenziellen Fragen, um die es geht, ein gewichtige Faktor ist, wenn beispielsweise hohe Rechnungen für Aktionen oder eben auch Geldstrafen im Raum stehen, wenn man sich überwacht sieht oder sich im Gerichtssaal vor Richter:innen in Robe zu erheben hat.
Strukturell bleibt es schwierig, einerseits einen Systemwechsel in der Umweltpolitik aus überzeugenden Gründen für unabdingbar zu halten und gerade nicht darauf zu setzen, das Drehen an der Stellschraube werde schon genügen, andererseits sich aber innerhalb des Systems gegen den Staat zur Wehr setzen zu wollen.
Denn auch das Justizsystem erweist sich ja, von wenigen Ausnahmen abgesehen, als starr und träge. Bei einem systemischen Ungehorsam wie demjenigen der Letzten Generation reagiert sie fast panisch mit einer Aufstockung der Strafkammern und einer Zementierung der bisherigen Rechtsprechung statt über einen rechtfertigenden Notstand der Klimakleber:innen ernsthaft nachzudenken. Noch immer bleibt es ein Paradox, dass es ganz unbestritten um die Bestrafung und weitere Pönalisierung zivilen Ungehorsams gehen soll, ohne dass man auch insoweit einmal innehält: Seit wann soll Ungehorsam die Kraft haben, das Strafrecht und den Einsatz des Strafrechts zu legitimieren?
Ein ehrlicher Abend, ein informativer Abend, ein Abend, der bei vielen jungen Zuhörerinnen und Zuhörern auf offenes Interesse stieß.
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