07.11.2024


Digitalisierung und Kontrolle – die Schande der Bezahlkarte

Digitalisierung und Segen gehen nicht zwingend Hand in Hand. Digitalisierung bedeutet auch Überwachung und Kontrolle. Im Falle der Bezahlkarte für Geflüchtete werden hingegen weniger Verwaltungsaufwand und Schutz vor Missbrauch als Vorteile angeführt.

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Die Bezahlkarte lässt sich kriminologisch auch als Maßnahme der sog. situativen Kriminalprävention interpretieren, die zunehmend als Mittel der Wahl angesehen wird. Sie kümmert sich nicht groß um die Ursachen für ein bestimmtes Verhalten, sie unterbindet es schlicht und tatkräftig, jedenfalls mehr oder weniger. Ein Beispiel: Wem durch die Security der Zutritt zu einer Shopping Mall verwehrt wird, kann in dieser nichts anstellen. Er kann sich natürlich im Winter leider auch nicht in dieser ein wenig aufwärmen.

Das also ist das Problem der situativen Prävention: Sie fragt nicht nach. Sie trifft Menschen, die nicht einmal in den Augen der Protagonisten der Maßnahme im Fokus stehen sollten, und sie steht für soziale Kälte.

Der vorgebliche Schutz vor Missbrauch ist derzeit ebenfalls in der Hitliste wohlfeiler Argumentationsmuster ganz weit nach vorne gerückt. Missbrauch will eigentlich niemand, womit man stets auf offene Ohren stößt, auch wenn man nicht immer so genau weiß, was jetzt Missbrauch ist (auch das Aufwärmen?) und ob es tatsächlich ein relevantes Risiko gibt. Und genau das sollte man schon einmal eruieren, wenn die Nebenwirkungen einschneidend sind.

Weil Maßnahmen der technischen Prävention immer auch zahlreiche treffen, die sich ungerecht behandelt fühlen, führen diese nicht selten zu Umgehungshandlungen. Womit wir beim Thema der Bezahlkarte wären: Natürlich gibt es auch bei Leistungen für Geflüchtete vermutlich gelegentlich Missbrauch, wie überall auf der Welt, auch bei den sog. Mächtigen. Aber das Misstrauen gegen die Machtlosen mit einem traurigen Schicksal ist nicht nur schäbig, sondern hat auch einen hohen Preis. Die Bezahlkarte geht mit demütigenden Erfahrungen einher, sie schränkt unzumutbar ein und verwehrt den Bedürftigen günstigere oder pragmatischere Lösungen in einer schweren Lebensphase.

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Nicht nur zufällig ist die Geschichte gerade auch in totalitären oder Unrechtsregimen voller vergleichbarer Beispiele. Immer wieder hat man versucht, die wirtschaftlichen Aktivitäten von bestimmten Gruppen zu überwachen und zu kontrollieren: Dies war beim sog. Ghetto-Geld während des Holocaust und bei den „Sklaven-Token“ der Fall. Während des südafrikanischen Apartheid-Regimes wusste man die Schwarzen ebenso zu kontrollieren wie es Chinas Machthaber derzeit über das Sozialkredit-System mit ihrem Volk praktizieren.

Und es kommt, wie es kommen muss, weil Maßnahmen als ungerecht und diskriminierend empfunden werden: Umgehungshandlungen durch die Betroffenen und diese Unterstützende wurden und werden ersonnen. Im Fall der Bezahlkarte funktioniert dies in München derzeit so, dass Geflüchtete in einem Supermarkt z.B. einen Gutschein über 50 Euro erwerben, zu einem Tauschort bringen und hier gegen Bargeld eintauschen.

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Bei anderen Konstellationen von Kontrollsystemen erscheint es zudem denkbar, auf digitale Währungen wie Bitcoin oder andere Kryptowährungen auszuweichen, die nicht von Regierungen kontrolliert werden können.

Und schon sind wieder die Hardliner am Start, die diese Umtausch-Aktion sogar sanktionieren wollen. Und weil eben das jetzige Instrumentarium bezeichnenderweise hierfür nichts hergibt, wird irgendetwas Neues gefordert statt einfach mal innezuhalten. Umgekehrt würde ein Schuh draus: Es müsste noch einmal kritisch überprüft werden, ob die Bezahlkarte entgegen ersten Entscheidungen wirklich rechtmäßig ist.

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Das für eine Maßnahme der situativen Prävention typische Ende der Geschichte: Das Schicksal der Geflüchteten und deren in jeder Hinsicht prekäre Lage gerät vollkommen aus dem Blickfeld. Statt diesen Menschen ein wenig Fürsorge und Würde zukommen zu lassen, werden sie ausnahmslos als Menschen gelabelt, die unser Sozialsystem auszunutzen gedenken.

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