15.10.2024


Kiffen für alle? Ne Wohnung sollte man schon haben ...

In ihrem Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ beschlossen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP die Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften. Im entsprechenden Eckpunktepapier vom 12.4.2023 wurde schließlich ein 2-Säulen-Modell vorgestellt. Dieses sieht als erste Säule den privaten sowie gemeinschaftlichen (nicht-kommerziellen) Eigenanbau und daneben als zweite Säule die Einrichtung kommerzieller Lieferketten zumindest in regionalen Modellvorhaben vor. Während die erste Säule durch das Konsumcannabisgesetz (KCanG) vom 27.3.2024 umgesetzt wurde, liegt die zweite Säule derzeit weiterhin auf Eis.

https://strafrecht-online.org/ampel-koalitionsvertrag [S. 68]

https://www.lto.de/persistent/a_id/55417

Gem. § 9 Abs. 1 KCanG dürfen Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, an ihrem Wohnsitz oder ihrem gewöhnlichen Aufenthalt drei Cannabispflanzen anbauen. Unter den Voraussetzungen der §§ 11 ff. KCanG ist zudem der gemeinschaftliche Anbau in Anbauvereinigungen (häufig auch als „Social Clubs“ bezeichnet) zulässig.

„Recht auf Rausch“ jetzt also überall und für jedes Gesellschaftsmitglied? In Freiburg lediglich für diejenigen, die eine eigene Wohnung haben. Zwar kann grundsätzlich auch eine Obdachlosenunterkunft „gewöhnlicher Aufenthalt“ i.S.v. § 9 Abs. 1 i.V.m. § 1 Nr. 17 KCanG sein (vgl. LSG BaWü 9.7.2020 – L 7 SO 1178/18 Rn. 44). Uns erreichte vor Kurzem jedoch der Hinweis, dass die Stadt Freiburg unter Verweis auf § 3 Abs. 3 ihrer Satzung zum Betrieb der Wohnheime für wohnungslose Personen ein grundsätzliches Verbot des Anbaus von Cannabispflanzen innerhalb der Wohnheime und auf dem Gelände der Wohnheime ausgesprochen hat (das Schreiben der Stadt liegt uns vor).

https://strafrecht-online.org/fr-satzung-wohnungslose

Zur Begründung ihres Verbots führt die Stadt den Jugendschutz, den Hausfrieden sowie ferner die NL vom 27.09.2024 - 3 - Probleme bei der Kontrolle an, ob es sich bei mitgeführtem Cannabis um solches aus Eigenanbau oder illegal erworbenes handele.

Auch ohne profunde Expertise im Kommunalrecht gehen wir mal davon aus, dass eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verbots nicht vorliegt. Es ist in der Welt. Hinsichtlich der Frage, inwiefern das Verbot aber auch inhaltlich überzeugt, möchten wir mit Ihnen in Kontakt treten und laden Sie daher zur Teilnahme an einer Diskussion und Umfrage ein (siehe den Link am Ende des Beitrags).

Folgender Input hierzu von unserer Seite:

Die Argumente der Stadt halten wir nur bedingt für überzeugend. Die fehlende Unterscheidungsmöglichkeit von legalem und illegalem Cannabis besteht stets und ist gerade kein Spezifikum der Wohnheime. Inwieweit der Jugendschutz verfängt, ist mit Blick auf die gewöhnliche Altersstruktur in solchen Unterkünften zumindest fraglich. Der Hausfrieden erscheint als Verbotsbegründung hingegen durchaus erwägungswürdig. Cannabispflanzen entwickeln einen markanten Eigengeruch, der je nach Anbauintensität als störend wahrgenommen werden kann. Nicht selten leiden wohnungslose Menschen unter psychischen Störungen, die Unfrieden befördern können.

Gerade wenn die Unterbringung in Mehrbettzimmern erfolgt, ist der vorhandene Platz beschränkt. Sofern nun eine Person den Platz in Fensternähe für ihre Cannabispflanzen in Anspruch nehmen möchte, ist ein gewisses Konfliktpotenzial nicht von der Hand zu weisen. Ein solches besteht insbesondere dann, wenn sich eine Mitbewohnerin durch Cannabispflanzen gestört fühlt (z.B. aufgrund eigener schlechter Erfahrungen im Umgang mit Cannabis).

Gelegentlich würde unklar bleiben, wem welche Pflanze gehört. Schließlich sollen sich die untergebrachten Personen zumindest von der Idee her nur vorübergehend in der entsprechenden Einrichtung aufhalten. Fortwährende Wechsel machen zudem alles unübersichtlich.

Hauptargument für die Ermöglichung eines Eigenanbaus auch in den Wohnheimen dürfte sicher die Kostenfrage sein. Personen, denen es häufig am Mindesten fehlt, werden sich kaum eine Mitgliedschaft in einem „Social Club“ leisten können. Ein Eigenanbau, der auch ohne teures Equipment möglich ist, stellt im Vergleich hierzu (sowie zum illegalen Erwerb auf dem Schwarzmarkt) eine deutlich kostengünstigere Alternative dar.

https://strafrecht-online.org/social-club-kosten (runterscrollen bis „Was kostet die Mitgliedschaft?“)

Hinsichtlich des Hausfriedens ist ergänzend festzuhalten, dass es sich bei den (maximal drei) Pflanzen weder um sperriges Inventar noch um Gegenstände handelt, von denen wie bei einem widerspenstigen Hund eine Gefahr für andere ausgeht. Wäre das durchaus aufwendige Kümmern um die Pflanze(n) nicht auch eine Möglichkeit, niederschwellig Verantwortung zu übernehmen und auf diese Weise das eigene Selbstwertgefühl zu steigern?

Dass grundrechtlich geschützte Optionen, die das KCanG tragen, einmal mehr den Schwächsten der Gesellschaft vorenthalten werden sollen, enttäuscht. Praktische Erwägungen, die letztlich Resultat einer unzureichenden Sozialpolitik im Hinblick auf den Wohnraum sind, scheinen mehr Gewicht zu haben als die Interessen von Menschen, die ohnehin am Rand der Gesellschaft stehen.

So viel erst einmal von unserer Seite. Jetzt sind wir auf Ihre Ansichten gespannt und freuen uns über eine zahlreiche Teilnahme an Austausch und Abstimmung. Wir werden hierüber berichten.

https://strafrecht-online.org/cannabis-umfrage


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