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Kritisches Denken müssen Studierende schon selbst lernen
So lautet ein aufrüttelnder Beitrag von Šejla Ahmatović in der uns bis dahin unbekannten Kolumne „Uni live“ der FAZ. Denn sie hat eine Universität erlebt, in der Studierende nur hin und wieder eine Gegenposition einnehmen würden und dominante Narrative offensichtlich wie in Stein gemeißelt seien. Die Fähigkeit, kritisch und interdisziplinär zu denken, bleibe offensichtlich auf der Strecke und nehme im Verlauf des Studiums paradoxerweise nur wenig zu.
Die Lösung: Eigeninitiative und Ambiguitätstoleranz. Glücklicherweise könne man das leicht lernen, wenn man nur wolle.
https://www.faz.net/-gyl-b6cwh
Das mit der Ambiguitätstoleranz haben wir zur Sicherheit noch mal ergoogelt, ChatGPT war „at capacity right now“. Wir müssen unbedingt auf ChatGPT Plus upgraden, um nicht vollkommen den Anschluss zu verlieren. Koste es, was es wolle. Aber zurück zum Thema: Ambiguitätstolerante Personen sollen in der Lage sein, Widersprüchlichkeiten wahrzunehmen, ohne darauf aggressiv zu reagieren.
Wir geben zu: Das fällt uns beim Lesen dieser Kolumne durchaus nicht leicht. Denn die Verfasserin übertreibt es in unseren Augen ein wenig mit dem Hinweis auf die Eigenverantwortlichkeit, die immerhin schön zum Menschenbild der FAZ passt. Man muss sich eben zusammenreißen und es nur wollen. Nicht immer mit dem Finger auf die anderen zeigen!
Wir aber machen in gewohnt larmoyanter Weise genau dies, indem wir das Unternehmen Uni in den Blick nehmen, das unter Berücksichtigung marktwirtschaftlicher Mechanismen smart geführt wird und passend hierzu Absolvent:innen produziert.
https://strafrecht-online.org/unternehmen-uni
Unsere Gegenthese ist diejenige, dass auch die Studierenden der Gegenwart durchaus die Bereitschaft zu kritischem Denken besitzen, sie aber die Mechanismen der Universität durchdrungen haben. Diese sind konsequent und die Karriere fördernd etwa im Fach Rechtswissenschaft auf die Systemstabilisierung ausgerichtet. Wer Verbesserungspotenzial an diesem System ausmacht, organisiert oder tauscht sich außerhalb der Universität aus. Die jungen Menschen sehen in ihr nicht mehr den Kristallisationspunkt geistiger Auseinandersetzungen oder gar des Protests.
Vielleicht hat Šejla Ahmatović dies alles gar nicht so gemeint und waren ihr gewisse Widersprüchlichkeiten nicht recht bewusst. Dies aber wäre die Voraussetzung für die von ihr beschworene Ambiguitätstoleranz. Wir wiederum hadern durchaus mit dem Unternehmen Uni und dem Verlust von Studierenden, die sich mit ihr zu identifizieren vermögen.
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