20.02.2024


Eine richtungsweisende OLG-Entscheidung – wirklich jetzt?

Das AG Freiburg hatte in einer wohlbegründeten Entscheidung einen Klimaaktivisten auf die Anklage wegen Nötigung hin freigesprochen. Die heutige Revisionsentscheidung des OLG Karlsruhe hob den Freispruch auf und verwies zum AG Freiburg für eine erneute Entscheidung zurück.

In einem ersten Bericht lese ich von einer richtungsweisenden Entscheidung, und frage mich verzweifelt, warum sie richtungsweisend sein soll. Ich war nicht bei der Verhandlung dabei, deshalb muss ich mich vorerst auf die Nachricht beschränken. Hier lese ich davon, dass wichtige Faktoren einer im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung erforderlichen Abwägung nicht hinreichend festgestellt worden seien.

Zu diesen Faktoren gehörten die Dauer und die Intensität der Aktion, deren Ankündigung, mögliche Ausweichmöglichkeiten und der Bezug zwischen den betroffenen Personen und dem Anliegen der Protestaktion.

Abgesehen davon, dass ich im Urteil des AG diese Gesichtspunkte widergespiegelt sehe, wundere ich mich, woher das OLG Karlsruhe das Selbstverständnis nimmt, just diese Abwägungsparameter als gesetzt anzusehen, und andere demgegenüber nicht. Das AG Freiburg hatte es sich nicht leichtgemacht und „zähneknirschend“ die sog. Fernziele nur sehr vorsichtig angedeutet sowie für den Straftatbestand der Nötigung als weitgehend irrelevant angesehen. Insoweit geht der Vorwurf des OLG
in die Irre, der Freispruch gründe sich auf einem moralischen Urteil, genau das nicht.

Auch atomisiert das OLG Karlsruhe den Impetus der Klimaaktivist:innen unzulässig, wenn er in der in Frage stehenden Situation auf die Verschwendung von Lebensmitteln reduziert wird. Es geht um das Klima, es geht ums Ganze!

Wenn die Vorsitzende Richterin die unterkomplexe Sichtweise wiederholt, die Protestaktion der Blockade sei wenig geeignet, um die Durchsetzung einer wirksamen Klimapolitik zu befördern, verkennt auch sie, dass eine Eignung schlicht deshalb gegeben ist, weil die Autofahrenden einen Moment einmal innehalten können, auch um über ihr Verhalten nachzudenken.

Und warum ist eigentlich der Versuch der Rettung des Klimas ein Fernziel? Es ist ein akutes, das gerade nicht in die Ferne geschoben werden darf. Und es ist ein solches, das unmittelbar über Art. 20a GG in unsere Verfassung Eingang gefunden hat.

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe ist weder richtungsweisend noch weise. Sie zeigt sich nicht einmal bereit, Farbe zu bekennen und die zunehmend als abwegig empfundene Rechtsprechung zu den sog. Sitzblockaden fortzuschreiben. Sie schiebt einfach die Verantwortung von sich. Die Hoffnung: Möge eine andere Abteilung des AG Freiburg im zweiten Versuch gefälligst so entscheiden wie das Gros der Amtsgerichte.


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