Vortragsreihe TACHELES

Automatisiertes Agieren in ungewissen sozialen Räumen – Offene rechtspolitische Fragen im Kontext von (teil-)autonomem Fahren bis zu automatisierten Steuerbescheiden

Referent

Dr. Eva Geisberger, Informatikerin und (Rechts-)Soziologin

Veranstaltungsbeschreibung

Der Vortrag am 8.12.2021 musste leider ausfallen, wird jedoch Anfang 2022 bzw. im Frühjahr 2022 nachgeholt. Den neuen Termin geben wir rechtzeitig bekannt.

Bereits heute sind automatisierte Fahrerassistenzsysteme im öffentlichen Straßenverkehr zugelassen und vermehrt unterwegs (aktiver Spurhalte‐, Spurwechselassistent; neues StVG, § 1a, 1b). Ihre Präsenz in ADAC‐Testberichten, Videodemonstrationen (Youtube) und Bewertungsportalen sowie Unfallberichten werfen nicht nur offene Fragen bezüglich Verlässlichkeit, Sicherheit und Rechtsrahmung auf, sondern auch hinsichtlich gesellschaftlicher Akzeptanz, Zulassungsfähigkeit, Sicherung der Bürgerrechte und demokratiepolitischer Gestaltung der Systeme.

Der Vortrag führt ein in die steuerungs- und sicherheitstechnische Definition, Einordnung und institutionelle Rahmung (teil-)autonomen Fahrens, erläutert die Grenzen der Technik und verdeutlicht den grundlegenden Wandel von instrumenteller Technik hin zu plakativen Visionen ‚intelligenter‘ Systeme und Infrastrukturen. Sie agieren in offenen sozialen Kontexten, ‚lernen‘ anhand ihrer Umgebung und (können) entsprechend autonom und zielgerichtet ‚handeln‘: so die BMBF-Plattform Lernende Systeme mit ihren Experimentierfeldern und „Geschäftsmodellinnovationen“ in Form von öffentlich-privaten Dienstleistungsplattformen (ÖPP) in den Bereichen Mobilität, Gesundheit und Pflege, oder die automatisierte Steuerverwaltung mithilfe ELSTER.

Anhand der Charakterisierung historisch entstandener Infrastruktursysteme und ihrer zugehörigen (Rechts‐)Raumregime (Ordnungskonzepte, rechts‐/wirtschaftspolitische Regulierung, Norm(ier)ung) werden die diesen Systemen inhärente Formatierungs- und Konstitutionalisierungsmacht sozialer Räume aufgezeigt. Neben offenen zivil-/strafrechtlichen Haftungs- und Zurechnungsfragen werfen sie verfassungsrechtliche wie demokratiepolitische Fragen auf und fordern eine technische wie rechtliche und politische Accoutability ein – auch hinsichtlich der mit der Skalierbarkeit der Systeme und ihrer Geschäftsmodelle verbundenen Verteilungs- und Sozialordnungseffekte. Begriffe aktueller EU‐Dokumente – Ethics Guidelines for Trustworthy AI, Harmonized Rules on AI – werden damit ‚in Frage‘ gestellt.

Zur Person: Dr. Eva Geisberger studierte Informatik (Dipl.), Soziologie und politische Philosophie (MA) an der TU und LMU in München und promovierte auf dem Gebiet des Requirements Engineering eingebetteter Systeme. Neben ihrer Forschungstätigkeit in interdisziplinären Projektkooperationen berät sie international tätige Unternehmen zu modellbasierter Anforderungs- und Systemanalyse sowie Strategieentwicklung. Zuletzt leitete sie den Bereich Software und Systems Engineering des Forschungsinstitutes fortiss GmbH, An-Institut der TU München.