Stand: 01.03.2023

Der Gutachtenstil erfordert eine sich an den Obersatz zu einem einzelnen Tatbestandsmerkmal oder einer sonstigen Strafbarkeitsvoraussetzung anschließende Definition dieses Merkmals. Definition bedeutet: Das Merkmal muss abstrakt umschrieben werden und auf den konkreten Sachverhalt darf an dieser Stelle noch kein Bezug genommen werden (sondern erst in der Subsumtion).

Im Laufe der Jahre haben sich in Rechtsprechung und Literatur Definitionen herausgebildet, die eine Subsumtion des konkreten Sachverhalts erleichtern. Für strafrechtliche Fallbearbeitungen im Gutachtenstil ist die Kenntnis dieser Definitionen unabdingbar. Sie müssen nicht wortgleich, aber zumindest in ihren Kernelementen wiedergegeben werden, um anschließend das Geschehene hieran zu messen. Auch die in dieser Liste genannten Definitionen sind insofern lediglich Formulierungsvorschläge, die in verschiedenen Lehrbüchern oder Kommentaren leicht variieren.

Diese Liste soll einen Überblick über alle Definitionen bieten, die in unseren AG-Fällen auftauchen. Sie wird stetig erweitert, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Beschädigen i.S.d. § 303 Abs. 1 StGB

Beschädigung ist jede Einwirkung auf die Sache, durch die ihre Substanz nicht unerheblich verletzt oder ihre bestimmungsmäßige Brauchbarkeit nicht unerheblich beeinträchtigt wird (vgl. Schönke/Schröder/Hecker StGB, 30. Aufl. 2019, § 303 Rn. 8).

Zerstören i.S.d. § 303 Abs. 1 StGB

Zerstört ist eine Sache, wenn sie infolge der körperlichen Einwirkung vernichtet oder so weitgehend beschädigt wird, dass ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit vollständig aufgehoben ist (vgl. Schönke/Schröder/Hecker StGB, 30. Aufl. 2019, § 303 Rn. 14).

Fremde Sache i.S.d. § 303 Abs. 1 StGB

Eine Sache ist jeder körperliche Gegenstand. Fremd ist eine Sache, wenn sie nicht herrenlos ist oder im Alleineigentum des Täters steht (vgl. Münchener Kommentar StGB/Wieck-Noodt, 3. Aufl. 2019, § 303 Rn. 7 ff.).

Körperliche Misshandlung i.S.d. § 223 Abs. 1 StGB

Eine körperliche Misshandlung ist jede üble unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit mehr als nur unerheblich beeinträchtigt sind (vgl. Nomos Kommentar StGB/Paeffgen/Böse, 5. Aufl. 2017, § 223 Rn. 8).

Gesundheitsschädigung i.S.d. § 223 Abs. 1 StGB

Eine Gesundheitsschädigung bezeichnet das Hervorrufen oder die Steigerung eines krankhaften (= pathologischen) Zustandes. Krankhaft ist jeder Zustand, der nicht nur unerheblich vom Normalzustand negativ abweicht (vgl. Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT I, 41. Aufl. 2017, Rn. 281).

Kausalität

Im Sinne der conditio-sine-qua-non-Formel ist jede Bedingung (d.h. jede Handlung) kausal für einen Erfolg, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele (vgl. Rengier Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 13 Rn. 3).

Objektive Zurechnung

Ein tatbestandlicher Erfolg ist dem Täter objektiv zuzurechnen, wenn er eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen oder erhöht hat und sich gerade diese Gefahr (und keine andere) im tatbestandlichen Erfolg realisiert hat (Kühl Strafrecht AT, 8. Aufl. 2017, § 4 Rn. 43).

Gefährliches Werkzeug i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB

Gefährliches Werkzeug i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB ist jeder Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung im konkreten Fall geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen (vgl. Rengier Strafrecht BT II, 21. Aufl. 2020, § 14 Rn. 27).

Hinterlistiger Überfall i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB

Ein hinterlistiger Überfall ist ein überraschender oder unerwarteter Angriff, bei dem der Täter planmäßig seine wahren Absichten verdeckt, um die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren (Rengier Strafrecht BT II, 21. Aufl. 2020, § 14 Rn. 44).

Vorsatz

Vorsatz bezeichnet den Willen zur Tatbestandsverwirklichung in Kenntnis aller seiner objektiven Tatbestandsmerkmale; Kurzformel: Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung (vgl. Rengier Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 14 Rn. 5).

Angriff i.S.d. § 32 Abs. 2 StGB

Angriff ist jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung eines notwehrfähigen Rechtsguts (Lackner/Kühl/Kühl StGB, § 32 Rn. 2).

Gegenwärtigkeit des Angriffs i.S.d. § 32 Abs. 2 StGB

Gegenwärtig ist der Angriff, der unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch fortdauert (Rengier Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 18 Rn. 19).

Rechtswidrigkeit des Angriffs i.S.d. § 32 Abs. 2 StGB

Rechtswidrig ist ein Angriff, wenn er nicht seinerseits durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt wird (vgl. BGH NStZ 2003, 599).

Gegenwärtige Gefahr im Sinne einer Notstandslage in den §§ 34, 35 StGB

Gefahr ist ein Zustand, in dem nach den konkreten Umständen der Eintritt eines Schadens naheliegt. Gegenwärtig ist eine Gefahr, wenn nach menschlicher Erfahrung der ungewöhnliche Zustand bei natürlicher Weiterentwicklung jederzeit in einen Schaden umschlagen kann, wenn also der Eintritt eines Schadens sicher oder doch höchstwahrscheinlich ist, sofern nicht sofort Abwehrmaßnahmen ergriffen werden (Lackner/Kühl/Kühl StGB, 29. Aufl. 2018, § 34 Rn. 2).

Eindringen i.S.d. § 123 Abs. 1 StGB

Eindringen setzt voraus, dass der Körper mindestens zum Teil in den Raum gebracht wird, und zwar gegen den erkennbaren oder zu vermutenden Willen des Hausrechtsinhabers (Lackner/Kühl/Heger, 29. Aufl. 2018, § 123 Rn. 5).

Erlaubnistatumstandsirrtum

Beim Erlaubnistatumstandsirrtum stellt sich der Täter irrig tatsächliche Umstände vor, bei deren Vorliegen seine Handlung gerechtfertigt wäre (vgl. Frister Strafrecht AT, 8. Aufl. 2018, 14. Kap. Rn. 29 ff.).

Unmittelbares Ansetzen i.S.d. § 22 StGB (Kombinationsansatz)

Nach dem herrschenden Kombinationsansatz setzt unmittelbar zur Tat an, wer subjektiv die Schwelle zum „Jetzt-geht´s-los“ überschritten hat und objektiv Handlungen vornimmt, die – nach seinem Tatplan – in ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenakte unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen (BGHSt 48, 34, 35 f.).

Hypothetische Kausalität / "Quasi-Kausalität" (in Unterlassungskonstellationen)

Kausal ist das Unterlassen für den Erfolg dann, wenn durch die Vornahme der gebotenen Handlung der tatbestandliche Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre (Rengier Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 49 Rn. 13).

Die unterlassene Handlung darf also nicht hinzugedacht werden, ohne dass der eingetretene Erfolg sicher entfiele (Ransiek JuS 2010, 490, 495).


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