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Umgang mit einer Dauergefahr







Tags


Notwehr; Präventivnotwehr; Notwehrlage; Angriff; Gegenwärtigkeit; gegenwärtig; Dauergefahr; § 32


Problemaufriss


Beispiel (nach BGHSt 48, 255): Die Täterin tötet den immer wieder gewalttätigen Familientyrannen im Schlaf, weil ihr dies bei der am nächsten Tag mit Sicherheit zu erwartenden tätlichen Auseinandersetzung nicht gelingen würde. Hier ist umstritten, ob und wie die Handlung der Täterin gerechtfertigt oder entschuldigt werden kann.
Bekannt ist diese Fragestellung unter dem Stichwort der Dauergefahr. In diesen Konstellationen liegt kein gegenwärtiger Angriff i.S.d. § 32 vor, da der Angriff weder unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch fortdauert (Rengier Strafrecht AT, 15. Aufl. 2023, § 18 Rn. 19).


Problembehandlung


Ansicht 1: Nach einer Ansicht soll es sich bei diesen Situationen um eine "notwehrähnliche Lage" handeln, auf welche **§ 32 analog anwendbar sei (Suppert Studien zur Notwehr und "notwehrähnlichen Lage", 1973, S. 356 ff.). Somit würde § 32 auch im Fall der sog. „Präventivnotwehr“ oder bei einer „notwehrähnlichen Lage“ Anwendung finden. Das Analogieverbot des Art. 103 II GG stehe dieser Analogie nicht entgegen, da es nur Analogien zulasten des Täters erfasse. Die Ausdehnung der Gegenwärtigkeit sei täterbegünstigend, da so die Handlung gerechtfertigt wäre. Schließlich erspare die analoge Anwendung des § 32 die "missliche Interessenabwägung des § 34" (Krey ZStW 1978, 173, 188).


Kritik: Diese Ansicht weicht entgegen dem Wortlaut die Grenze des schneidigen Notwehrrechts auf (Rengier Strafrecht AT, § 18 Rn. 22). Es gibt gerade einen Unterschied zwischen dem Angriff i.S.d. § 32, der eine akute zugespitzte Gefahr verlangt, und der Gefahr i.S.d. § 34 (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, 53. Aufl. 2023, Rn. 465 f.).


Ansicht 2: Nach h.M. (BGH NJW 1979, 2053; NK/Neumann, 6. Aufl. 2023\, § 34 StGB Rn. 56 f.) seien Dauergefahren demnach ausschließlich von dem Gefahrbegriff des §§ 34\, 35 umfasst. Somit seien auch solche Gefahren eingeschlossen\, bei denen eine permanente Gefährdung vorliegt\, die vielleicht erst irgendwann in der Zukunft\, vielleicht aber auch schon im nächsten Augenblick in einen Schaden umschlagen könne (MüKo/Erb, 4. Aufl. 2020\, § 34 Rn. 97). Damit reiche der Begriff der Gegenwärtigkeit weiter als bei der Notwehr.


Zum Beispiel: Wenn auch im Eingangsbeispiel des Haustyrannen-Falls nicht davon auszugehen ist, dass es jederzeit zu einem erneuten Angriff kommt, so ist die Gegenwärtigkeit deshalb zu bejahen, da der zu erwartende Angriff nur durch unverzügliches Handeln abgewendet werden kann (BGHSt 48, 255 [258]).
 
Hinweis: Dieser Streitstand ist innerhalb dem Prüfungspunkt der Gegenwärtigkeit des § 32 zu führen und diese mit der h.M. zu verneinen. Zur Vollständigkeit wären im weiteren Verlauf der Prüfung folgende Aspekte zu berücksichtigen:


- Rechtfertigung nach § 34 (-), da das Leben der Täterin nicht das des Tyrannen überwiegt. Innerhalb der Notwehrhandlung zudem thematisieren, inwiefern die Handlung „anders abwendbar“ war, ggf. durch Inanspruchnahme staatlicher Hilfe.
- Entschuldigung nach § 33 (-), da nach h.M. der vorzeitige extensive Notwehrexzess nicht erfasst wird.
- Entschuldigung nach § 35 (+).















Die Seite wurde zuletzt am 13.5.2024 um 10.21 Uhr bearbeitet.



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