Zurück

Anforderungen an den intensiven Notwehrexzess







Tags


Notwehr; Notwehrexzess; § 33; Intensiver Notwehrexzess; bewusst; unbewusst; Überschreitung; Notwehrbefugnisse; vorsätzlich


Problemaufriss
Beim intensiven Notwehrexzess überschreitet der Angegriffene das "erforderliche" Maß der Notwehr. Die Anwendung des § 33 auf diese Fallgruppe ist – im Gegensatz zum extensiven Notwehrexzess  (bei diesem geht es um das Vorliegen der Notwehrlage) – unumstritten. Umstritten ist jedoch, welche Anforderungen an den intensiven Notwehrexzess zu stellen sind: Kann nur eine unbewusste Überschreitung der Notwehrbefugnis entschuldigt sein oder fällt auch eine solche Konstellation unter § 33, in der der Angegriffene sein Notwehrrecht vorsätzlich überschreitet?


Problembehandlung


Ansicht 1:  Nach einer Ansicht sei nach § 33 nur eine unbewusste Notwehrüberschreitung zu entschuldigen (Schönke/Schröder StGB/Perron, 30. Aufl. 2019, § 33 Rn. 6). § 33 setze voraus, dass der Täter „aus“ einem asthenischen Affekt heraus handelt. Es sei kaum denkbar, dass sich der Täter in einem so hohen Erregungsgrad befindet, der die Wahrnehmung auf die Situation und das erforderliche Maß so beschränkt, dass die Voraussetzungen des § 33 gegeben seien und er gleichzeitig aber vorsätzlich handele. § 33 beziehe sich nur auf solche Situationen, in denen die Wahrnehmung des Geschehens durch den Täter aufgrund der betreffenden Erregungszustände fehlerhaft seien und dieser sich deshalb positiv falsche oder überhaupt keine Vorstellungen davon macht, dass seine Reaktion übermäßig sein könnte (Schönke/Schröder StGB/Perron, § 33 Rn. 6).
 
Kritik:  Der Wortlaut des § 33 spricht ohne Einschränkung von einem Überschreiten der Grenzen der Notwehr, sodass jede andere Auslegung zu einer Ausweitung der Strafbarkeit und damit zu einem Verstoß gegen Art. 103 II GG führen würde (vgl. Theile JuS 2006, 965). Auch die Entstehungsgeschichte der Norm spricht hierfür: In den Verhandlungen des "Sonderausschusses Strafrechtsreform" wurde zunächst erwogen, zwischen unbewusstem und bewusstem Notwehrexzess zu differenzieren. Für letzteren sollte lediglich eine fakultative Strafmilderung vorgesehen sein. Ein solche Differenzierung wurde schließlich verworfen (LK StGB/Zieschang, 13. Aufl. 2019, § 33 Rn. 23).
 
Ansicht 2:   Nach herrschender Meinung genügt jedes bewusste oder unbewusste Überschreiten der Notwehrbefugnis aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken (BGHSt 39, 133, 139 f.; Rengier Strafrecht AT, 15. Aufl. 2023, § 27 Rn. 26; Lackner/Kühl/Heger StGB, 30. Aufl. 2023, § 33 Rn. 3). Denn trotz hochgradigen Affekts könne der Täter durchaus wissen und hinnehmen, was er tut, aber dennoch unter einem starken Zwang stehen, so und nicht anders zu handeln (LK StGB/Zieschang, § 33 Rn. 23). An die regelmäßig in zugespitzten Situationen zu treffende Entscheidung für eine bestimmte Abwehrhandlung dürften keine überhöhten Anforderungen gestellt werden, das Fehlschlagrisiko einer Abwehr sei oft schwer zu kalkulieren (BGHSt NStZ 2016, 84). Weiterhin dürfte in den einschlägigen Situationen eine auch nur einigermaßen tragfähige Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit bzgl. des Übermaßes der Reaktion kaum möglich sein (MüKo StGB/Erb, 4. Aufl. 2020, § 33 Rn. 15).















Die Seite wurde zuletzt am 21.5.2024 um 11.54 Uhr bearbeitet.



0 Kommentare.

Fragen und Anmerkungen:

Wird für die Bestätigung benötigt