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Hinnehmenmüssen der Gefahr bei objektiv pflichtwidriger Verursachung der Gefahr

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### Tags

entschuldigender Notstand; Hinnehmenmüssen; Duldungspflicht; Pflichtwidrigkeit; Verursachung der Gefahr; Zumutbarkeit der Gefahrhinnahme; Gefahrhinnahmepflichten

### Problemaufriss

Der sich grds. in einer Notstandslage gem. [§ 35](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__35.html) befindende Täter ist gem. [§ 35 I 2](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__35.html) dann nicht entschuldigt, wenn er "die Gefahr selbst verursacht hat". Es besteht Einigkeit darüber, dass die Verursachung im Sinne der [Äquivalenztheorie](/problemfelder/at/tb/kausalitaet/theorien/) (conditio-sine-qua-non-Formel) nicht ausreichen soll, da auch sozialadäquates Verhalten zu Gefahrhinnahmepflichten führen und [§ 35](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__35.html) zu sehr eingeschränkt würde (<em>Rengier</em> StrafR AT, 15. Aufl. 2023, § 26 Rn. 18). Außerdem handelt es sich bei der bloßen Verursachung um einen schuldindifferenten Umstand (Schönke/Schröder/<em>Perron</em>, 30. Aufl. 2019, § 35 Rn. 20). Wie die Regelung aber stattdessen auszulegen ist, ist umstritten.

### Problembehandlung

**Ansicht 1:** Nach einer Ansicht muss der Täter die Gefahr schuldhaft verursacht haben, damit der Ausnahmefall des [§ 35 I 2](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__35.html) vorliegt (Schönke/Schröder/<em>Perron</em>, § 35 Rn. 20).

**Kritik:** Dagegen spricht der Wortlaut, der kein Verschulden voraussetzt. Bei [§ 35](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__35.html) werden Verantwortungsbereiche zugewiesen, die sich auch aus anderen Wertungen ergeben können. Wenn der Täter eine Notstandslage selbst verursacht hat, darf er den Konflikt nicht durch Aufopferung anderer lösen, sondern muss selbst mit der Gefahr zurechtkommen (<em>Rengier</em> StrafR AT, § 26 Rn. 19).

**Ansicht 2:** Ein objektiv pflichtwidriges Verhalten des Täters, durch das objektiv vorhersehbar die Notstandslage verursacht wurde, reicht aus, um das Hinnehmenmüssen der Gefahr zu begründen (<em>Rengier</em> StrafR AT, § 26 Rn. 19; *Wessels/Beulke/Satzger* AT, 53. Aufl. 2023, Rn. 695).

**Kritik:** Die historische Auslegung spricht gegen diese Ansicht, da § 54 a.F. einen unverschuldeten Notstand für die Entschuldigung voraussetzte. Aus [BT-Drs. V/4095](/bt-drs-5-4095), S. 16 geht hervor, dass die Rechtslage nicht durch [§ 35](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__35.html) geändert werden sollte (<em>Blei</em> JA 1975, 307). Dem Täter soll der Schuldausschluss des [§ 35](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__35.html) verweigert werden, wenn ihm das Tragen der Gefahr wegen der eigenen Verursachung der Gefahr zugemutet werden kann. Dies ist nach dem Rechtsgedanken der [actio libera in causa](/problemfelder/at/schuld/schuldfaehigk/alic/) erst dann der Fall, wenn der Täter die Notstandslage verschuldet hat (Schönke/Schröder/<em>Perron</em>, § 35 Rn. 20).

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entschuldigender Notstand; Hinnehmenmüssen; Duldungspflicht; Pflichtwidrigkeit; Verursachung der Gefahr; Zumutbarkeit der Gefahrhinnahme; Gefahrhinnahmepflichten

Problemaufriss

Der sich grds. in einer Notstandslage gem. § 35 befindende Täter ist gem. § 35 I 2 dann nicht entschuldigt, wenn er "die Gefahr selbst verursacht hat". Es besteht Einigkeit darüber, dass die Verursachung im Sinne der Äquivalenztheorie (conditio-sine-qua-non-Formel) nicht ausreichen soll, da auch sozialadäquates Verhalten zu Gefahrhinnahmepflichten führen und § 35 zu sehr eingeschränkt würde (Rengier StrafR AT, 15. Aufl. 2023, § 26 Rn. 18). Außerdem handelt es sich bei der bloßen Verursachung um einen schuldindifferenten Umstand (Schönke/Schröder/Perron, 30. Aufl. 2019, § 35 Rn. 20). Wie die Regelung aber stattdessen auszulegen ist, ist umstritten.

Problembehandlung

Ansicht 1: Nach einer Ansicht muss der Täter die Gefahr schuldhaft verursacht haben, damit der Ausnahmefall des § 35 I 2 vorliegt (Schönke/Schröder/Perron, § 35 Rn. 20).

Kritik: Dagegen spricht der Wortlaut, der kein Verschulden voraussetzt. Bei § 35 werden Verantwortungsbereiche zugewiesen, die sich auch aus anderen Wertungen ergeben können. Wenn der Täter eine Notstandslage selbst verursacht hat, darf er den Konflikt nicht durch Aufopferung anderer lösen, sondern muss selbst mit der Gefahr zurechtkommen (Rengier StrafR AT, § 26 Rn. 19).

Ansicht 2: Ein objektiv pflichtwidriges Verhalten des Täters, durch das objektiv vorhersehbar die Notstandslage verursacht wurde, reicht aus, um das Hinnehmenmüssen der Gefahr zu begründen (Rengier StrafR AT, § 26 Rn. 19; Wessels/Beulke/Satzger AT, 53. Aufl. 2023, Rn. 695).

Kritik: Die historische Auslegung spricht gegen diese Ansicht, da § 54 a.F. einen unverschuldeten Notstand für die Entschuldigung voraussetzte. Aus BT-Drs. V/4095, S. 16 geht hervor, dass die Rechtslage nicht durch § 35 geändert werden sollte (Blei JA 1975, 307). Dem Täter soll der Schuldausschluss des § 35 verweigert werden, wenn ihm das Tragen der Gefahr wegen der eigenen Verursachung der Gefahr zugemutet werden kann. Dies ist nach dem Rechtsgedanken der actio libera in causa erst dann der Fall, wenn der Täter die Notstandslage verschuldet hat (Schönke/Schröder/Perron, § 35 Rn. 20).

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entschuldigender Notstand; Hinnehmenmüssen; Duldungspflicht; Pflichtwidrigkeit; Verursachung der Gefahr; Zumutbarkeit der Gefahrhinnahme; Gefahrhinnahmepflichten

Problemaufriss

Der sich grds. in einer Notstandslage gem. § 35 befindende Täter ist gem. § 35 I 2 dann nicht entschuldigt, wenn er "die Gefahr selbst verursacht hat". Es besteht Einigkeit darüber, dass die Verursachung im Sinne der Äquivalenztheorie (conditio-sine-qua-non-Formel) nicht ausreichen soll, da auch sozialadäquates Verhalten zu Gefahrhinnahmepflichten führen und § 35 zu sehr eingeschränkt würde (Rengier StrafR AT, 15. Aufl. 2023, § 26 Rn. 18). Außerdem handelt es sich bei der bloßen Verursachung um einen schuldindifferenten Umstand (Schönke/Schröder/Perron, 30. Aufl. 2019, § 35 Rn. 20). Wie die Regelung aber stattdessen auszulegen ist, ist umstritten.

Problembehandlung

Ansicht 1: Nach einer Ansicht muss der Täter die Gefahr schuldhaft verursacht haben, damit der Ausnahmefall des § 35 I 2 vorliegt (Schönke/Schröder/Perron, § 35 Rn. 20).


Kritik: Dagegen spricht der Wortlaut, der kein Verschulden voraussetzt. Bei § 35 werden Verantwortungsbereiche zugewiesen, die sich auch aus anderen Wertungen ergeben können. Wenn der Täter eine Notstandslage selbst verursacht hat, darf er den Konflikt nicht durch Aufopferung anderer lösen, sondern muss selbst mit der Gefahr zurechtkommen (Rengier StrafR AT, § 26 Rn. 19).


Ansicht 2: Ein objektiv pflichtwidriges Verhalten des Täters, durch das objektiv vorhersehbar die Notstandslage verursacht wurde, reicht aus, um das Hinnehmenmüssen der Gefahr zu begründen (Rengier StrafR AT, § 26 Rn. 19; Wessels/Beulke/Satzger AT, 53. Aufl. 2023, Rn. 695).


Kritik: Die historische Auslegung spricht gegen diese Ansicht, da § 54 a.F. einen unverschuldeten Notstand für die Entschuldigung voraussetzte. Aus BT-Drs. V/4095, S. 16 geht hervor, dass die Rechtslage nicht durch § 35 geändert werden sollte (Blei JA 1975, 307). Dem Täter soll der Schuldausschluss des § 35 verweigert werden, wenn ihm das Tragen der Gefahr wegen der eigenen Verursachung der Gefahr zugemutet werden kann. Dies ist nach dem Rechtsgedanken der actio libera in causa erst dann der Fall, wenn der Täter die Notstandslage verschuldet hat (Schönke/Schröder/Perron, § 35 Rn. 20).

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