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Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme bei Allgemeindelikten







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Abgrenzung; Anstiftung; Beihilfe; mittelbare Täterschaft; Mittäterschaft; Allgemeindelikt; Extrem-subjektive Theorie; Formal-objektive Theorie; Subjektive Theorie; Materiell-objektive Tatherrschaftslehre; Tatherrschaft


Problemaufriss


Zwischen Täterschaft und Teilnahme muss immer dann abgegrenzt werden, wenn in Frage kommt, dass die handelnde Person nach dem Sachverhalt entweder Täter oder Teilnehmer sein könnte.


Problembehandlung


Im Rahmen dieses Problems ergibt sich eine zweistufige Prüfung:
1. Gedankliche Vorüberlegung: Liegt (i.d.R. ist das selten der Fall) ein besonderer Deliktstypus vor?
2. Wie ist zwischen Täterschaft und Teilnahme abzugrenzen?


1. Deliktstypus
Die Qualifikation als Täter setzt zunächst voraus, dass man überhaupt tauglicher Täter im Sinne des konkret zu prüfenden Tatbestandes sein kann. Setzt ein Tatbestand eine besondere Täterqualität voraus, so ist für täterschaftliches Handeln erforderlich, dass jeder (Mit-)Täter diese besonderen Merkmale in seiner Person erfüllt. Ist bei einem Beteiligten diese besondere Täterqualität nicht gegeben, so kommt für diesen Beteiligten nur eine Teilnahme in Betracht (Rengier Strafrecht AT, 15. Aufl. 2023, § 41 Rn. 1).
Delikte mit besondere Täterqualitäten sind (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, 53. Aufl. 2023, Rn. 802 ff.):
 
Sonderdelikte, bei denen die besondere Subjektqualität des Täters strafbegründend wirkt (bspw. §§ 331 ff. mit der Eigenschaft als Amtsträger).
Pflichtdelikte, bei denen eine besondere Pflichtenstellung vorausgesetzt wird (bspw. § 266  durch die Vermögensbetreuungspflicht).
Eigenhändige Delikte, die eine persönliche Ausführungshandlung voraussetzen (bspw. §§ 153 f., die eine eigene Aussage voraussetzen).
 
Der nachfolgende Streit zur Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme ist in zwei Konstellationen zu führen:
1.    Es handelt sich um ein Allgemeindelikt (Delikt ohne besonderer Täterqualitäten).
2.    Es handelt sich um ein Sonderdelikt und die besondere Täterqualität liegt auch beim Beteiligten vor. Liegt die besondere Qualität nicht beim Beteiligten vor, so kann dieser nur Teilnehmer sein und der Streit entfällt.
 
2. Abgrenzungstheorien
Ansicht 1:  Extrem-subjektive Theorie (frühere Rspr.)
Nach Auffassung des Reichsgerichts (RG) ist primär auf den inneren Willen des Handelnden abzustellen. Folglich sei Täter, wer die Tat als seine eigene will und somit Täterwillen (animus auctoris) besitzt. Teilnehmer sei, wer sie als fremde will und dadurch Teilnehmerwillen (animus socii) entwickelt (RGSt 74, 84).
Kritik:  Einerseits ist diese Ansicht nicht mit § 25 I Alt. 1  in Einklang zu bringen, der ein „Begehen“ fordert (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, 53. Aufl. 2023, Rn. 809). Andererseits ist die Figur des animus auctoris zu unbestimmt und führt durch zu weites richterliches Ermessen zu Rechtsunsicherheit (Leipziger Kommentar StGB/Schünemann/Greco,13. Aufl. 2021, § 25 Rn. 35).
 
Ansicht 2:  Formal-objektive Theorie (früher h.L.)
Die früher vorherrschende Literaturansicht stand der Rechtsprechung des RG diametral entgegen: Demnach war Täter, wer die tatbestandliche Ausführungshandlung ganz oder teilweise selbst vornahm. Als Teilnehmer hingegen wurde eingestuft, wer zur tatbestandlichen Verwirklichung nur durch eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beiträgt (Mezger Deutsches Strafrecht 1938, S. 113; Freund Strafrecht AT, 2. Aufl. 2008, § 10 Rn. 35).
Kritik:  Nach dieser Ansicht ist die mittelbare Täterschaft iSd. § 25 I Alt. 2 nicht erklärbar, bei der der Haupttäter die Tat gerade nicht selbst ausführt (Kühl Strafrecht AT, 8. Aufl. 2017, § 20 Rn. 24). Ferner ist dieses Verständnis zu eng, da z.B. der im Hintergrund bleibende Bandenchef nicht erfasst werden kann (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, Rn. 808).
 
Ansicht 3:  Subjektive Theorie (heutige Rspr.)
Die heutige Rspr. stellt weiterhin schwerpunktmäßig auf die innere Einstellung des Täters zur Abgrenzung ab, lässt aber auch objektive Kriterien zu. Entscheidend sei daher der Grad des eigenen Interesses, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft und der Wille zur Tatherrschaft. (BGH NStZ 2012, 379) Mittäter sei, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint (BeckRS 2016, 7590).
Kritik:  Die einzelnen Bewertungskriterien werden nicht hinreichend klar gewichtet. Damit ist dieser Ansatz zu wertungsoffen und kann nicht rechtssicher zwischen Täterschaft und Teilnahme abgrenzen (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, Rn. 812).
 
Ansicht 4:  Materiell-objektive Tatherrschaftslehre (heutige h.L.)
In einer Fortentwicklung der Literatur wird weiterhin an der objektiven Tatherrschaft festgehalten. Diese liege jedoch nicht nur in einer eigenen Tatausführung, sondern fordere ein in den Händen halten des Geschehens. Täter sei daher, wer Zentralgestalt des Geschehens ist. Dabei ließen sich drei Tatherrschaftsformen unterscheiden: 1. Handlungsherrschaft (unmittelbare Tatausführung), 2. Wissens- oder Willensherrschaft (Überlegenes Wissen oder Wollen) und 3. Funktionale Tatherrschaft (Planungs- oder Organisationshoheit). Teilnehmer hingegen sei, wer Randfigur des Geschehens ist (Roxin Strafrecht AT II, 2003, § 25 Rn. 10 ff.; Kühl Strafrecht AT, 8. Aufl. 2017, § 20 Rn. 17 ff.; Rengier Strafrecht AT, § 41 Rn. 10 ff.; Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, Rn. 810).















Die Seite wurde zuletzt am 7.10.2024 um 16.38 Uhr bearbeitet.



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