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Tatmittler gegen sich selbst







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mittelbare Täterschaft; Tatmittler; Werkzeug; Opfer; gegen sich selbst; § 25 I Alt. 2; Zweipersonenverhältnis; Zweipersonenkonstellation; unmittelbares Ansetzen


Problemaufriss


Fraglich ist, nach welcher Täterschaftsform Konstellationen zu behandeln sind, in denen der Täter zunächst selbst handelt und nur die unmittelbare Erfolgsherbeiführung durch das Opfer selbst bewirkt wird. Liegt hier eine unmittelbare Täterschaft gem. § 25 I Alt. 1 vor? Oder kann es auch eine mittelbare Täterschaft gem. § 25 I Alt. 2 geben, bei der Tatmittler und Opfer in einer Person zusammenfallen?


Fraglich ist weiterhin, welche Konsequenzen dies für den Versuchsbeginn, also für das unmittelbare Ansetzen, hat.


Beispiel (nach BGHSt 43, 177): Unbekannte waren in das Einfamilienhaus des H eingedrungen und hatten dort vorhandene Flaschen mit verschiedenen Getränken ausgetrunken. Weiter waren Geräte der Unterhaltungselektronik in das Dachgeschoss des Hauses verbracht worden. Die von H verständigte Polizei ging deshalb davon aus, dass die Täter später noch einmal zurückkehren würden, um die zum Abtransport bereitgestellte Diebesbeute abzuholen. In der darauffolgenden Nacht hielten sich deshalb vier Polizisten in dem Haus auf, um mögliche Einbrecher ergreifen zu können. Zugleich hatte sich H, ein Apotheker, schon am Nachmittag aus Verärgerung über den vorangegangenen Einbruch dazu entschlossen, im Flur eine handelsübliche Steingutflasche aufzustellen, die er mit Wasser und einem hochgiftigen Stoff gefüllt und wieder verschlossen hatte. Wissend, dass schon der Konsum geringster Mengen der Mischung rasch zum Tode führen könnte, nahm es H beim Aufstellen der Flasche jedenfalls in Kauf, dass möglicherweise erneut Einbrecher im Haus erscheinen, aus der Flasche trinken und tödliche Vergiftungen erleiden könnten. Später kamen dem H Bedenken, da er die Polizisten nicht eingeweiht hatte und er nunmehr erkannte, dass auch ihnen von der Giftflasche Gefahr drohte. Er wies die Beamten auf den giftigen Inhalt der Flasche hin; diese hatten sie jedoch nicht angerührt. Am nächsten Morgen wurde er von einem Kriminalbeamten aufgefordert, die Giftflasche zu beseitigen.


Problembehandlung


Ansicht 1:  Es liegt ein Fall der unmittelbaren Täterschaft gem. § 25 I Alt. 1 vor (Dölling/Duttge/König/Rössner/Ingelfinger StGB, 4. Aufl. 2017, § 25 Rn. 11, 33; Schumann FS Puppe, 2011, S. 973, 975 ff.). § 25 I Alt. 2 bezieht sich lediglich auf Dreipersonenverhältnisse, also auf die Konstellation, dass der Täter einen mit dem Opfer nicht identischen Tatmittler einsetzt.


Kritik:  Der Wortlaut des § 25 I Alt. 2 setzt eine Beschränkung auf Dreipersonenverhältnisse nicht voraus, da er nur von der Begehung "durch einen anderen", also einen vom mittelbaren Täter verschiedenen Mittler, spricht. Auch teleologisch bietet § 25 I Alt. 2 für eine solche Auslegung keinerlei Anhaltspunkte.


Ansicht 2:  Nach der Gegenauffassung liegt hier ein Fall der mittelbaren Täterschaft vor (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, 51. Aufl. 2021, Rn. 849; Nomos Kommentar StGB/Schild, 5. Aufl. 2017, § 25 Rn. 46, 96). Eine Zurechnung über § 25 I Alt. 2 kommt also auch bei einem sich selbst schädigenden Werkzeug in Betracht. Da der Umgang mit eigenen Gütern jedoch grds. in den Verantwortungsbereich des Rechtsgutsinhabers fällt, kommt eine Zurechnung nur dann in Betracht, wenn der Hintermann für das Defizit des Vordermanns Verantwortung trägt. Dies ist insbesondere bei einer Nötigung zu einer selbstschädigenden Handlung oder einem Irrtum des Werkzeugs über den Verletzungscharakter der Fall (Satzger/Schluckebier/Widmaier/Murmann StGB, 5. Aufl. 2020, § 25 Rn. 9).


Kritik:  Allein das selbstverletzende Handeln des Opfers richtet sich nicht gegen ein ihm gegenüber geschütztes Gut. Daher handelt es sich um eine Handlung, die von vornherein keinen Normbefehl missachtet und daher bloßer Kausalfaktor, nicht aber Zurechnungsgegenstand im Rahmen des § 25 I Alt. 2 sein kann (Dölling/Duttge/Rössner/Ingelfinger StGB, § 25 Rn. 33).




Versuchsbeginn beim Tatmittler gegen sich selbst:


Im oben nach BGHSt 43, 177 gebildeten Beispiel hatte sich der BGH zudem mit der Frage zu beschäftigen, wann der Versuch für den Hintermann beginnt, wenn dieser das Opfer als Werkzeug gegen sich selbst einsetzen will. Der BGH behandelt diese Konstellationen der Selbstschädigung des "Tatmittlers" (im untechnischen Sinn) zwar nicht als Fall der mittelbaren Täterschaft, erkennt aber eine der mittelbaren Täterschaft "verwandte Struktur" an.


Der BGH differenziert für das unmittelbare Ansetzen danach, ob der Hintermann das Erscheinen und die unbewusste Mitwirkung des Tatopfers an der Erfolgsherbeiführung als gewiss ansieht oder nicht (vgl. BGHSt 43, 177, 181; ähnlich OLG München NStZ-RR 1996, 71, 72):



  • Steht für den Täter fest, das Opfer werde erscheinen und sein für den Taterfolg eingeplantes Verhalten bewirken, so liegt eine unmittelbare Gefährdung (nach dem Tatplan) bereits mit Abschluss der Tathandlung vor.

  • Hält der Täter – wie im oben genannten Beispiel – ein Erscheinen des Opfers im Wirkungskreis des Tatmittels hingegen für lediglich möglich, aber noch ungewiss oder gar für wenig wahrscheinlich, so tritt eine unmittelbare Rechtsgutsgefährdung nach dem Tatplan erst dann ein, wenn das Opfer tatsächlich erscheint, dabei Anstalten trifft, die erwartete selbstschädigende Handlung vorzunehmen, und sich deshalb die Gefahr für das Opfer verdichtet.


Kritik: Die Lösung widerspricht der gesetzlichen Vorgabe des § 22, den Versuchsbeginn zwar auf Grundlage der Tätervorstellung zu beurteilen, diese Beurteilung aber nach objektiven Kriterien vorzunehmen.


Folgt man der h.L., die auch in Fällen der Selbstschädigung des Werkzeugs eine mittelbare Täterschaft bejaht, stellt sich das Problem des unmittelbaren Ansetzens bei mittelbarer Täterschaft.















Die Seite wurde zuletzt am 17.4.2023 um 9.47 Uhr bearbeitet.



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