dolus eventualis/ Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit
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Wissenselement; Wollenselement; luxuria; Verwirklichungswillen; Hemmschwellentheorie
Problemaufriss
Wie dolus eventualis zur bewussten Fahrlässigkeit abzugrenzen ist, ist höchst umstritten.
Beispiel: C rammt D einen Schraubenschlüssel in den Rücken, um ihn kampfunfähig zu machen und sodann seine Handtasche zu stehlen. Er hält es für möglich, dass bei einem derartigen Schlag der Tod des D eintritt, hofft aber auf das Ausbleiben dieses Erfolges, da ihm der Tod des D höchst unerwünscht ist. Strafbarkeit des C gem. § 212?
Problembehandlung
Ansicht 1: Nach der sog. Möglichkeitstheorie handelt vorsätzlich, wer den Erfolg für möglich hält. Dies wird damit begründet, dass sich der Täter über eine Verbotsnorm bewusst hinwegsetzt, auch wenn er den Erfolg nur für möglich hält (Heintschel-Heinegg JA 2010, 387, 388; Schmidhäuser GA 1958, 161, 180).
Kritik: Die Möglichkeitstheorie verkennt, dass es beim Vorsatz nicht nur um das Wissen, sondern auch um das Wollen geht (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, 53. Aufl, 2023, Rn. 334). Eine Abgrenzung ist nur über den Willen möglich, da auch die bewusste Fahrlässigkeit die Kenntnis der Möglichkeit des Erfolgseintritts beinhaltet.
Ansicht 2: Nach der sog. Wahrscheinlichkeitstheorie handelt vorsätzlich, wer den Erfolgseintritt für wahrscheinlich hält und dennoch handelt. Wahrscheinlich soll dabei mehr als "möglich" und weniger als "überwiegend wahrscheinlich" bedeuten. Hierfür wird aufgeführt, dass nicht nur die vage Möglichkeit eines Erfolgseintritts, sondern erst die Wahrscheinlichkeit eine objektiv beweisbare Tatsache darstellt (H. Mayer Strafrecht AT, 1967, S. 121; Prittwitz JA 1988, 486).
Kritik: Auch diese Theorie geht fehl , da sie mangels Bezugnahme auf das voluntative Vorsatzelement nicht zu einer klaren Grenzziehung in der Lage ist. Wie lässt sich außerdem ermitteln, was mehr als "möglich", aber weniger als "überwiegend wahrscheinlich" ist? (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, Rn. 335).
Ansicht 3: Nach der sog. Gleichgültigkeitstheorie handelt vorsätzlich, wer den Erfolg für möglich hält und diesen aus Gleichgültigkeit hinnimmt. Als Argument dafür wird angemerkt, dass der Vorsatz als eine besonders schwere Schuldform, nicht schon beim "Für-Möglich-Halten" angenommen werden dürfe, sondern erst bei rücksichtsloser Gleichgültigkeit in Betracht kommen soll (Engisch NJW 1955, 1688; Schroth JR 2003, 250).
Kritik: Mit dieser Ansicht wäre ein Vorsatz schwer festzustellen, da die Feststellung des reinen subjektiven Willens oft nicht nachweisbar ist (Roxin Strafrecht AT I, 4. Aufl. 2006, § 12 Rn. 40).
Ansicht 4: Nach der herrschenden sog. Billigungstheorie handelt derjenige vorsätzlich, der den für möglich gehaltenen Erfolg "billigend in Kauf nimmt". Der Wille müsse der entscheidende Faktor sein, da vorsätzlich nur die gewollte Tat sein könne. Von einem Wollen könne allerdings nur bei einer Billigung des Erfolges gesprochen werden (RGSt 76, 115; BGHSt 36, 1; 44, 99; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele Strafrecht AT, 13. Aufl. 2021, § 11 Rn. 25; Schlehofer Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 165 ff.)
Zum Beispiel:
Im oben genannten Beispiel würde bei C nach der sog. Billigungstheorie dolus eventualis bzgl. des Schlags in den Rücken des D vorliegen, da auch wenn ihm der Tod des D unerwünscht war, er sich mit dem Eintreten des Erfolgs abgefunden hat. Sein billigen ist im "Rechtssinne" zu verstehen, so dass sich C gem. § 212 strafbar gemacht hat.
Die Seite wurde zuletzt am 11.3.2024 um 17.25 Uhr bearbeitet.
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