Anstiftervorsatz beim agent provocateur
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Lockspitzel; Anstiftung; Versuch; Vollendung; Beendigung; Vollendungsgrenze; Rechtsgut; Rechtsgutsverletzung
Problemaufriss
Mit dem Begriff des agent provocateurs wird eine Person bezeichnet, die - üblicherweise im Dienste der Polizei - einen anderen zu einer Straftat anstiftet. Das kann ein sog. V-Mann oder ein Lockspitzel der Polizei sein.
Beispiel: Der polizeiliche Lockspitzel L stiftet A und B an, in das Haus einer reichen Familie einzubrechen, die gerade verreist ist. Unmittelbar nach dem Einbruch werden A und B noch auf dem Grundstück des Hauses, wie von L vorhergesehen, festgenommen. Ist L wegen Anstiftung zum Wohnungseinbruchdiebstahl (§§ 242 I, 244 I Nr. 3, 26) strafbar?
Für eine Strafbarkeit wegen Anstiftung müsste der Täter den „Doppelvorsatz“ haben, das heißt sowohl Vorsatz bzgl. der Anstifterhandlung als auch Vorsatz bzgl. der rechtswidrigen Tat (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, 54. Aufl. 2024, Rn. 892). Hier ist bzgl. des Vorsatzes, welcher auf die rechtswidrige Tat gerichtet ist, wie folgt zu unterscheiden:
- Vorsatz nur bzgl. Versuch der Haupttat: Nach h.M. ist der agent provocateur nicht zu bestrafen (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, Rn. 896). Eine Strafbarkeit des agent provocateurs anzunehmen, widerspräche dem Strafgrund der Teilnahme. Das Unrecht der Teilnahme fußt nämlich auf einem selbstständigen Angriff des Teilnehmers. Sofern der Teilnehmer von vornherein eine Vollendung verhindern möchte, scheidet eine Strafbarkeit aus. (Rönnau JuS 2015, 19).
- Vorsatz bzgl. der formellen Vollendung (nicht aber materiellen Vollendung): Umstritten. Sofern jedoch der Lockspitzel zugleich Inhaber des Rechtsguts ist, lässt sich von vornherein kein Teilnahmeunrecht begründen (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, Rn. 896).
Problembehandlung
Ansicht 1: Nach einer Mindermeinung ist der agent provocateur auch schon dann strafbar, wenn er die Vollendung der Haupttat in Kauf nimmt. Denn bereits mit der – in Kauf genommenen – Vollendung liege eine Rechtsgutsverletzung im Sinne der gesetzlichen Tatbestände vor, sodass wegen der Akzessorietät der Teilnahme eine Strafbarkeit zu bejahen sei (Bock JA 2007, 500, 603).
Kritik: Auch wenn es nach der Vorstellung des agent provocateurs zu einer Vollendung kommen soll, so kann er doch sorgfältig jede materielle Gefahr für das Rechtsgut ausschließen. Dann ist unter kriminalpolitischen Gesichtspunkten auf eine Bestrafung zu verzichten (Rengier Strafrecht AT, 15. Aufl. 2023, § 45 Rn. 71). Denn auch die Strafbarkeit des Anstifters legitimiert sich letztlich unter dem Aspekt des Rechtsgüterschutzes. Will der Handelnde von vornherein nicht, dass es zu einer endgültigen Beeinträchtigung des Rechtsgutes kommt, so muss auch eine Strafbarkeit ausscheiden (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, Rn. 897).
Ansicht 2: Nach herrschender Lehre bleibt der agent provocateur straffrei, sofern sich der Anstiftervorsatz lediglich auf die Vollendung der Haupttat bezieht. Hier wird darauf abgestellt, dass der Täter eine materielle Beendigung (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, Rn. 897) oder eine irreparable Rechtsgutsverletzung (MüKo StGB/Scheinfeld, 5. Aufl. 2024, § 26 Rn. 76 f.) in Kauf genommen haben muss.
An einem solchen Vorsatz fehle es insbesondere, wenn der agent provocateur – wie im Beispiel (Polizei war vor Ort) – Vorkehrungen getroffen hat, die den Eintritt eines endgültigen Schadens verhindern oder sich zumindest um deren Vorliegen bewusst war (vgl. OLG Oldenburg NJW 1999, 2751 f.; Rengier Strafrecht AT, § 45 Rn. 71). Die Strafbarkeit des Anstifters basiere nämlich auf einem von ihm mit verursachten, von seinem Vorsatz umfassten Rechtsgutsangriff. Ein solcher sei aber vom Vorsatz gerade nicht erfasst, wenn der Haupttäter vor der materiellen Beendigung gefasst werden soll.
Kritik: Die beabsichtigte Straffreiheit des agent provocateurs sollte nicht dazu führen, fundamentale Bereiche der Teilnahmedogmatik zu modifizieren. Vielmehr sollte der Gesetzgeber Abhilfe durch die Schaffung von Rechtfertigungsgrundlagen schaffen (Gropp Strafrecht AT, 5. Aufl. 2020, § 10 Rn. 279).
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Die Seite wurde zuletzt am 4.11.2024 um 18.05 Uhr bearbeitet.
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