Versuch erfolgsqualifizierter Delikte bei nicht strafbarem Versuch des Grunddelikts
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Versuch; Erfolgsqualifikation; schwere Folge; erfolgsqualifizierend; Grunddelikt; § 11 II; § 18; § 22; § 23; folgenschwerer Versuch; Strafbarkeit; strafbegründend
Problemaufriss
Ein Überblick der Strafbarkeit erfolgsqualifizierter Delikte, speziell zur Unterscheidung des erfolgsqualifizierten Versuchs und des Versuchs der Erfolgsqualifikation ist hier zu finden. Es ist fraglich, ob erfolgsqualifizierte Delikte mit versuchtem Grunddelikt nur dann strafbar sind, wenn auch der Versuch des Grunddelikts selbst strafbar ist.
Problembehandlung
I. Der erfolgsqualifizierte Versuch
Beim erfolgsqualifizierten Versuch wird überwiegend die Strafbarkeit des Grunddelikts vorausgesetzt. Das ergibt sich insbesondere daraus, dass die Erfolgsqualifikation lediglich strafschärfend und nicht strafbegründend wirken darf (Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schuster StGB, 30. Aufl. 2019, § 18 Rn. 9; Nomos Kommentar StGB/Paeffgen, 5. Aufl. 2017, § 18 Rn. 112).
Damit ist bspw. der fahrlässig herbeigeführte Tod bei einer versuchten Aussetzung nicht nach §§ 221 III, 22, 23 I StGB zu bestrafen, da der Versuch der einfachen Aussetzung nach § 221 I StGB nicht unter Strafe steht (Roxin Strafrecht AT II, 2003, § 29 Rn. 323).
II. Der Versuch der Erfolgsqualifikation
Ob beim Versuch der Erfolgsqualifikation auch das Grunddelikt strafbar sein muss, ist umstritten und wurde vom BGH bislang offengelassen (zuletzt BGH NStZ 1985, 501).
Ansicht 1: Nach einer Ansicht müsse auch beim Versuch der Erfolgsqualifikation das Grunddelikt strafbar sein (Heinrich Strafrecht AT, 6. Aufl. 2019, Rn. 699). Hierfür wird angeführt, dass das Anstreben der Folge allein nicht strafbegründend sein könne. (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, 51. Aufl. 2021, Rn. 998).
Kritik: Diese Ansicht verkennt, dass § 22 StGB gerade den Vorstellungsunwert und nicht den objektiven Verhaltensunwert bestraft (Münchener Kommentar StGB/Hardtung, 4. Aufl. 2020, § 18 Rn. 70).
Ansicht 2: Teilweise wird angenommen, dass beim Versuch der Erfolgsqualifikation das Grunddelikt nicht strafbar sein müsse, sofern auch Vorsatz bzgl. der Erfolgsqualifikation vorliegt (sog. Vorsatz-Vorsatz-Kombination) (Lackner/Kühl/Kühl StGB, 29. Auflage 2018, § 18 Rn. 11; Leipziger Kommentar StGB/Murmann, 13. Aufl. 2021, Vor §§ 22 ff, Rn. 125). § 18 StGB sei so zu lesen, dass allein eine fahrlässige Herbeiführung der schweren Folge nicht strafbegründend, sondern lediglich strafschärfend sein kann. § 18 StGB treffe jedoch keine Aussage über eine vorsätzlich herbeizuführende Folge (Münchener Kommentar StGB/Hardtung, § 18 Rn. 70).
Kritik: Allein die Summierung von Handlungs-Unwerten kann nichts an der gesetzgeberischen Entscheidung ändern, den Grundtatbestand straflos zu lassen (Nomos Kommentar StGB/Paeffgen, § 18 Rn. 113).
Die Seite wurde zuletzt am 28.11.2022 um 12.28 Uhr bearbeitet.
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